Warum?
Warum diese Homepage Sterberecht?
Zu dieser Zeit erlitt meine
Schwiegermutter die fünfte Blutung im Gehirn, nach der sie überhaupt nicht
mehr sprechen konnte und weitgehend bewegungsunfähig dauerhaft ans Bett
gebunden war. Meine Schwiegermutter hatte für diese Situation keinerlei
Vorsorgemaßnahmen getroffen, sie hatte weder eine Patientenverfügung noch
eine Vorsorgevollmacht bzw. Betreuungsverfügung erstellt. Ich begann im Internet zu
recherchieren und stieß auf viel Empörung über die geplante Gesetzgebung zur
Sterbehilfe in den Niederlanden. Die moralische Überlegenheit in diesen
Stellungnahmen befremdete mich und ich stellte mir die Frage, was ich für
mich will. Mir fielen Professor Hackethal und die Deutsche Gesellschaft für
Humanes Sterben ein, die sich nicht mit dem Verbot der Sterbehilfe in
Deutschland zufrieden gaben. Meine Mutter war an Krebs erkrankt, als ich 7
Jahre alt war, und mein Vater starb an einem Tumorleiden, da war ich 37. Als
Krankengymnastin habe ich den medizinischen Alltag in mehreren Kliniken
kennengelernt und auch einige Patienten bis zu ihrem Tod begleitet. Ich kenne
das Leiden, das mit Krankheit und Sterben einhergehen kann und daher ist für
mich klar, wenn ich an dem mir noch verbleibenden Leben nur noch leide, will
ich sterben und meinem Leben ein selbstbestimmtes Ende setzen können. Als die Gesetze zur
Sterbehilfe in den Niederlanden und Belgien verabschiedet wurden, scheuten
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN die öffentliche Debatte. Stellungnahmen zur
Sterbehilfe überließen sie ihrer kirchenpolitischen Sprecherin, Christa
Nickels, die sich für einen umfassenden Lebensschutz einsetzte. Man wolle
sich nicht mit den GRÜNEN Behindertenverbänden anlegen, hieß es vor Ort. Die
Überzeugung, dass das Recht auf Leben nur mit dem Verbot von Selbstbestimmung
am Lebensende abgesichert werden könne, wollte mir nicht einleuchten, aber
mir fehlten zunächst die Argumente. Die evangelische Kirche in
Bremen trug ihren Streit um die Sterbehilfe öffentlich aus und auch die SPD
hatte Interesse am Thema und lud zu verschiedenen Diskussionsveranstaltungen.
In anderen Großstädten nahm ich an weiteren Veranstaltungen mit Experten teil
und recherchierte immer wieder im Internet. Meine Sammlung von
Internetadressen wurde immer größer und ich dachte mir, warum soll ich das
nicht anderen Leuten zur Verfügung stellen. Sicherlich gibt es noch mehr
Leute, die nach Informationen aus erster Hand suchen. Pfade im Internet, ein
paar Seiten mit meinem Textverarbeitungsprogramm und fertig. Als die Gesetzgebung zur
Patientenverfügung durch das vorzeitige Ende der rot-grünen Regierung 2005
nicht zum erwarteten Ende kam und die Diskussion um das Für und Wider von
Patientenverfügungen immer wieder hochkochte, bemühte ich mich, mehr über die
rechtlichen Regelungen in anderen europäischen Ländern und Nordamerika
herauszufinden. Ich entdeckte die Gesetzgebung der Autonomen Provinzen in
Spanien und den Bundesstaaten der USA, das Gesetz zu den Patientenrechten in
Finnland u.a. Leben in verschiedenen
Ländern ist heutzutage normal und Familien verstreuen sich über Europa und in
alle Welt. Wenn dann Sterbebegleitung funktionieren soll, müssen sich
Familienmitglieder in angemessener Zeit über vorhandene Normen in dem
jeweiligen Land informieren können, was in der Bundesrepublik bis zum
Inkrafttreten des Patientenverfügungsgesetzes 2009 nur bedingt möglich war. Meine Mutter starb 2005 in
einem Pflegeheim. Ein halbes Jahr vor ihrem Tod veränderte sich ihr
Bewusstsein, aber sie konnte noch erklären, dass jetzt ihr Sterben begonnen
habe und ihre Patientenverfügung uneingeschränkt gültig sein solle. Sie war
gläubig genug, um diese Monate des endgültigen körperlichen Zerfalls geduldig
zu ertragen. Die Lebensmüdigkeit der vergangenen Jahre hatte sie hinter sich
gelassen, sie freute sich jetzt auf ihr Leben nach dem Tod ihres Körpers. Regine Bernstein-Bothe,
April 2013 |
April 2013 - http://sterberecht.homepage.t-online.de-
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