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BGH-Rechtslage.htm
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 454/09
vom
25. Juni 2010
BGHR:
ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 212, 216, 13
BGB §§ 1901a ff.
1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden
einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist
gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen
entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode
führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.
2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen
als auch durch aktives Tun vorgenommen werden.
3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die
nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung
stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich.
BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 - LG
Fulda in der Strafsache … gegen … wegen versuchten Totschlags
Der 2.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juni 2010 auf
Grund der Hauptverhandlung vom 2. Juni 2010 … für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Fulda vom 30. April 2009 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das
vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten
Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte verfolgt mit seiner auf
die Sachrüge gestützten Revision die Aufhebung des Urteils und seine
Freisprechung. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge
gestützten, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die
Strafzumessung. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg,
das der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Inhaltsverzeichnis (hinzugefügt)
Die Nummerierung der
Gliederung entspricht dem Original, den Text der Überschriften (mit *
gekennzeichnet) habe ich hinzugefügt.
A. Feststellungen des Landgerichts *
C. Beurteilung durch den BGH *
I. Die Revision des Angeklagten
1. unzureichende rechtliche Würdigung des
Geschehens durch das Landgericht *
a) frühere Entscheidungen des BGH *
b) Beendigung der künstlichen Ernährung
rechtmäßig *
c) Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung
rechtswidrig *
2. keine Rechtfertigung der Tötungshandlung durch
das Strafgesetzbuch *
3. Rechtfertigung der Tötungshandlung durch den
Patientenwillen *
a) Patientenverfügungsgesetz 2009 *
b) Patientenverfügungsgesetz und Strafrecht *
4. Gerechtfertigte und rechtswidrige Sterbehilfe
*
a) Unterscheidung von passiver, indirekter und
aktiver Sterbehilfe ungeeignet *
b) Kriterien für die Abgrenzung gerechtfertigter
und rechtswidriger Sterbehilfe *
aa) in der Rechtssprechung des BGH *
bb) naturalistische Unterscheidung von aktivem
und passivem Handeln ungeeignet *
cc) Behandlungsunterlassung, Behandlungsbegrenzung
und Behandlungsabbruch *
dd) Feststellung des behandlungsbezogenen
Patientenwille *
c) Gültigkeit für alle Beteiligten*
5. Rechtslage mit und ohne
Patientenverfügungsgesetz *
6. Freispruch des Angeklagten *
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte ist ein für den Fachbereich des Medizinrechts,
insbesondere auf Palliativmedizin spezialisierter Rechtsanwalt. Er beriet seit
2006 die beiden Kinder der 1931 geborenen E. K. ,
nämlich die ursprünglich Mitangeklagte G. und deren inzwischen verstorbenen
Bruder P. K. .
Frau K. lag seit Oktober 2002 nach einer Hirnblutung im
Wachkoma. Sie war seither nicht ansprechbar und wurde in einem Altenheim in B.
H. gepflegt und über einen Zugang in der Bauchdecke, eine sog. PEG-Sonde,
künstlich ernährt. Frau K., der nach einer Fraktur im Jahr 2006 der linke Arm
amputiert worden war, war im Dezember 2007 bei einer Größe von 1,59 m auf ein
Gewicht von 40 kg abgemagert. Eine Besserung ihres Gesundheitszustands war
nicht mehr zu erwarten.
Nachdem schon ihr Vater im Jahr 2002 eine Hirnblutung ohne
schwerwiegende gesundheitliche Folgen erlitten hatte, hatte Frau G. ihre Mutter
Ende September 2002 befragt, wie sie und ihr Bruder sich verhalten sollten,
falls Frau K. etwas zustoßen sollte. Diese hatte darauf u.a. erwidert, falls
sie bewusstlos werde und sich nicht mehr äußern könne, wolle sie keine
lebensverlängernden Maßnahmen in Form künstlicher Ernährung und Beatmung, sie
wolle nicht an irgendwelche "Schläuche" angeschlossen werden.
Zunächst war für Frau K. deren Ehemann als Betreuer bestellt
und später zu dessen Unterstützung eine Berufsbetreuung eingerichtet worden.
Die Berufsbetreuerin nahm seit Ende 2005 die Betreuung allein wahr, nachdem der Ehemann der Betreuten verstorben war. Frau
G. teilte der Berufsbetreuerin im März 2006 mit, dass sie und ihr Bruder den
Wunsch hätten, dass die Magensonde entfernt würde, damit ihre Mutter in Würde
sterben könne. Hierbei berichtete Frau G. auch von dem mit ihrer Mutter im
September 2002 geführten Gespräch, dessen Inhalt diese trotz der Bitte der
Tochter, die Angelegenheit mit ihrem Ehemann zu besprechen und sodann
schriftlich zu fixieren, nicht schriftlich niedergelegt hatte. Die
Berufsbetreuerin lehnte die Entfernung der Magensonde unter Hinweis auf den ihr
nicht bekannten mutmaßlichen Willen der Betreuten ab und blieb auch auf mehrere
Interventionen des inzwischen mandatierten Angeklagten bei ihrer Ablehnung.
Der Angeklagte bemühte sich in der Folgezeit zusammen mit
Frau G. und deren Bruder um die Einstellung der künstlichen Ernährung. Auf
seinen Antrag wurden beide Kinder im August 2007 zu Betreuern ihrer Mutter
bestellt. Der behandelnde Hausarzt unterstützte das Vorhaben der Betreuer, weil
aus seiner Sicht eine medizinische Indikation zur Fortsetzung der künstlichen
Ernährung nicht mehr gegeben war. Die Bemühungen stießen aber auf Wider-stand
bei Heimleitung und -personal. Nachdem auch eine ausdrückliche Anordnung des
Arztes zur Einstellung der künstlichen Ernährung vom Pflegepersonal nicht
befolgt worden war, schlug die Heimleiterin schließlich einen Kompromiss vor.
Um den moralischen Vorstellungen aller Beteiligten gerecht zu werden, sollte
sich das Personal nur noch um die Pflegetätigkeiten im engeren Sinn kümmern,
während Frau G. und Herr K. selbst die Ernährung über die Sonde einstellen, die
erforderliche Palliativversorgung durchführen und ihrer Mutter im Sterben
beistehen sollten. Nach Rücksprache mit dem Angeklagten erklärten sich Frau G.
und Herr K. hiermit einverstanden.
Demgemäß beendete Frau G. am 20. Dezember 2007 die
Nahrungszufuhr über die Sonde und begann, auch die Flüssigkeitszufuhr zu
reduzieren. Am nächsten Tag wies die Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens
jedoch die Heimleitung an, die künstliche Ernährung umgehend wieder
aufzunehmen. Frau G. und Herrn K. wurde ein Hausverbot für den Fall angedroht,
dass sie sich hiermit nicht einverstanden erklären sollten. Darauf erteilte der
Angeklagte ihnen am gleichen Tag telefonisch den Rat, den Schlauch der Son-de
unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen, weil gegen die rechtswidrige
Fortsetzung der Sondenernährung durch das Heim ein
effektiver Rechtsschutz nicht kurzfristig zu erlangen sei. Nach seiner
Einschätzung der Rechtslage werde keine Klinik eigenmächtig eine neue Sonde
einsetzen, so dass Frau K. würde sterben können. Frau G. folgte diesem Rat und
schnitt Minuten später mit Unterstützung ihres Bruders den Schlauch durch.
Nachdem das Pflegepersonal dies bereits nach einigen weiteren Minuten entdeckt
und die Heimleitung die Polizei eingeschaltet hatte, wurde Frau K. auf
Anordnung eines Staatsanwalts gegen den Willen ihrer Kinder in ein Krankenhaus
gebracht, wo ihr eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder
aufgenommen wurde. Sie starb dort am 5. Januar 2008 eines natürlichen Todes auf
Grund ihrer Erkrankungen.
Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten am 21.
Dezember 2007 als einen gemeinschaftlich mit Frau G. begangenen versuchten
Totschlag durch aktives Tun gewürdigt, der weder durch eine mutmaßliche
Einwilligung der Frau K. noch nach den Grundsätzen der Nothilfe oder des
rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt sei. Auch auf einen entschuldigenden
Notstand könne sich der Angeklagte nicht berufen. Soweit er sich im
Erlaubnisirrtum befunden habe, sei dieser für ihn als einschlägig
spezialisierten Rechtsanwalt vermeidbar gewesen.
Die Mitangeklagte G. hat das Landgericht freigesprochen, weil
sie sich angesichts des Rechtsrats des Angeklagten in einem unvermeidbaren
Erlaubnisirrtum befunden und deshalb ohne Schuld gehandelt habe.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung
sachlichen Rechts. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des
Angeklagten. Die Annahme des Landgerichts, das Verhalten des Angeklagten P. und
das ihm nach § 25 Abs. 2 StGB zurechenbare, auf seinen Rat hin erfolgte
Durchtrennen des Versorgungsschlauchs der PEG-Sonde durch die frühere
Mitangeklagte G. seien als versuchter Totschlag weder durch Einwilligung noch
auf Grund des Eingreifens sonstiger Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt, hält
im Ergebnis rechtlicher Prüfung nicht stand.
Eine ausdrückliche rechtliche Würdigung des Geschehens,
welches den der Verurteilung zugrunde gelegten Tathandlungen vorausging, hat
das Landgericht nicht vorgenommen. Seine Ansicht, dass die vom Heimbetreiber
beabsichtigte Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung gegen den Willen der
Betreuer und des behandelnden Arztes ein rechtswidriger Eingriff in das
Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen gewesen wäre, setzt jedoch voraus, dass
die vorausgehende Beendigung der Ernährung rechtmäßig war. Davon ist das
Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen.
Bereits mit Urteil vom 13. September 1994 (… ) hat der 1.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs über einen Fall des Abbruchs der künstlichen
Ernährung bei einer irreversibel schwerst
hirngeschädigten, entscheidungsunfähigen Patientin im Zusammenwirken von deren
zum Pfleger bestellten Sohn und dem behandelnden Arzt entschieden. Da die
Grunderkrankung - wie im vorliegenden Fall - noch keinen unmittelbar zum Tod
führenden Verlauf genommen hatte, lag, wie der 1. Strafsenat festgestellt hat,
kein Fall der so genannten "passiven Sterbehilfe" nach den Kriterien
der damaligen "Richtlinien für die Sterbehilfe" der Deutschen
Ärztekammer vor ( .). Gleichwohl hat der
Bundesgerichtshof erkannt, "dass angesichts der besonderen Umstände des
hier gegebenen Grenzfalls ausnahmsweise ein zulässiges Sterbenlassen durch
Abbruch einer ärztlichen Behandlung oder Maßnahme nicht von vornherein
ausgeschlossen (sei), sofern der Patient mit dem Abbruch mutmaßlich
einverstanden ist. Denn auch in dieser Situation ist das Selbstbestimmungsrecht
des Patienten zu achten, gegen dessen Willen eine ärztliche Behandlung
grundsätzlich weder eingeleitet noch fortgesetzt werden darf" (… ).
In seinem Beschluss vom 17. März 2003 (… ), der den Fall
eines an einem apallischen Syndrom leidenden
Patienten betraf, hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs allerdings
entschieden, das Unterlassen lebenserhaltender oder -verlängernder Maßnahmen
bei einem einwilligungsunfähigen Patienten setze voraus, dass dies dessen
tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen entspreche und dass die
Grunderkrankung einen "irreversibel tödlichen Verlauf" angenommen
habe. Hieraus ist in der Literatur vielfach abgeleitet worden, zwischen der
zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bestehe in der Frage der Zulässigkeit so genannter "passiver
Sterbehilfe" eine Divergenz (… ). Diese Ansicht
bestand auch fort, nachdem der XII. Zivilsenat in einem Kostenbeschluss vom 8.
Juni 2005 (… ) entschieden hatte, ein Heimbetreiber sei zur Fortsetzung einer
künstlichen Ernährung bei einem entscheidungsunfähigen, an einem apallischen Syndrom leidenden Patienten gegen dessen durch
den Betreuer verbindlich geäußerten Willen nicht berechtigt und das
Vormundschaftsgericht zu einer Entscheidung nicht berufen, wenn Betreuer und
Arzt sich übereinstimmend gegen eine weitere künstliche Ernährung entschieden
hatten; der Eintritt in eine mutmaßlich unmittelbar zum Tod führende Phase der
Grunderkrankung war danach nicht vorausgesetzt.
Die hierdurch in der öffentlichen Wahrnehmung entstandene
Unsicherheit über Voraussetzungen und Reichweite der Erlaubnis, eine
lebenserhaltende medizinische Behandlung auf Grund des Patientenwillens zu
beenden, ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29.
Juli 2009 (… ) jedenfalls insoweit beseitigt worden (näher dazu unten), als es
nach § 1901a Abs. 3 BGB nicht (mehr) auf Art und Stadium der Erkrankung
ankommt.
Allerdings war, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend
erkannt hat, die Beendigung der künstlichen Ernährung durch Unterlassen bzw.
Reduzierung der Zufuhr kalorienhaltiger Flüssigkeit durch die frühere
Mitangeklagte und ihren Bruder schon auf der Grundlage des zur Tatzeit
geltenden Rechts zulässig, denn die anerkannten Voraussetzungen für einen
rechtmäßigen Behandlungsabbruch durch so genannte "passive
Sterbehilfe" lagen vor. Dabei kam es hier nicht auf einen - im Einzelfall
möglicherweise schwer feststellbaren (….) - mutmaßlichen Willen der Betroffenen
an, da ihr wirklicher, vor Eintritt ihrer Einwilligungsunfähigkeit ausdrücklich
geäußerter Wille zweifelsfrei festgestellt war. Zwischen den Betreuern und dem
behandelnden Arzt bestand überdies Einvernehmen, dass der Abbruch der
künstlichen Ernährung dem Willen der Patientin entsprach. Unter diesen
Voraussetzungen durfte die Fortsetzung der künstlichen Ernährung unterlassen
werden, ohne dass eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich oder
veranlasst gewesen wäre.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht daher angenommen, dass
die von der Heimleitung angekündigte Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung
einen rechtswidrigen Angriff gegen die körperliche Integrität und das
Selbstbestimmungsrecht der Patientin dargestellt hätte. Nach der schon zur
Tatzeit ganz herrschenden Rechtsauffassung verliehen weder der Heimvertrag noch
die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) der Heimleitung oder dem
Pflegepersonal das Recht, sich über das Selbstbestimmungsrecht von Patienten
hinwegzusetzen und eigenmächtig in deren verfassungsrechtlich verbürgtes Recht
auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen (…).
Zutreffend hat das Landgericht die Frage verneint, ob die der
Verurteilung zugrunde gelegten Handlungen des Angeklagten und der früheren
Mitangeklagten, mit denen die rechtswidrige Wiederaufnahme der künstlichen
Ernährung und der hierin liegende Angriff auf die körperliche Unversehrtheit
und das Selbstbestimmungsrecht verhindert werden sollten, schon nach den Regeln
der Nothilfe (§ 32 StGB) gerechtfertigt waren. Zwar lag, wie sich aus
Vorstehendem ergibt, eine Notwehrlage im Sinne von § 32 StGB vor, welche den
Angeklagten und die Betreuerin zur Nothilfe gem. § 32 Abs. 2 StGB berechtigt
hätte. Die Verteidigungshandlungen richteten sich hier aber nicht oder nicht
allein gegen Rechtsgut der Angegriffenen selbst. Der Eingriff in das Rechtsgut
Leben der angegriffenen Person kann aber ersichtlich nicht durch Nothilfe gegen
einen Angriff auf das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit und das
Selbstbestimmungsrecht derselben Person gerechtfertigt sein. Er bedurfte als
selbständige Rechtsgutsverletzung vielmehr einer eigenen, von der Nothilfelage
unabhängigen Legitimation. Rechtsgüter des Angreifers (Sachbeschädigung durch
Zerschneiden des Schlauchs), sondern vor allem gegen ein höchstrangiges,
anderes Rechtsgut der Angegriffenen selbst. Der Eingriff in das
Rechtsgut Leben der angegriffenen Person kann aber ersichtlich nicht durch
Nothilfe gegen einen Angriff auf das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit
und das Selbstbestimmungsrecht derselben Person gerechtfertigt sein. Er
bedurfte als selbständige Rechtsgutsverletzung vielmehr einer eigenen, von der
Nothilfelage unabhängigen Legitimation.
Auch eine Rechtfertigung aus dem Gesichtspunkt des Notstands
gem. § 34 StGB scheidet, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend gesehen
hat, vorliegend schon deshalb aus, weil sich der Eingriff des Angeklagten hier
gegen das höchstrangige Rechtsgut (Leben) derjenigen
Person richtete, welcher die gegenwärtige Gefahr (für die Rechtsgüter der
körperlichen Unversehrtheit und des Selbstbestimmungsrechts) im Sinne von § 34
StGB drohte (…). Eine Entschuldigung gem. § 35 StGB oder aus dem Gesichtspunkt
des "übergesetzlichen" Notstands scheidet ebenfalls aus.
Eine Rechtfertigung für die Tötungshandlung konnte sich daher
hier allein aus dem von den Kindern der Frau K. als deren Betreuern geltend
gemachten Willen der Betroffenen, also ihrer Einwilligung ergeben, die
künstliche Ernährung abzubrechen und ihre Fortsetzung oder Wiederaufnahme zu
unterlassen.
Im Unterschied zu den bislang vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fällen weist der vorliegende die Besonderheit auf, dass die die
Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung verhindernde, direkt auf die
Lebensbeendigung abzielende Handlung der früheren Mitangeklagten, die dem
Angeklagten vom Landgericht rechtsfehlerfrei als eigene Handlung gemäß § 25
Abs. 2 StGB zugerechnet worden ist, nach den allgemeinen Regeln nicht als
Unterlassen, sondern als aktives Tun anzusehen ist. Für diesen Fall ist eine
Rechtfertigung direkt lebensbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der
"Sterbehilfe" von der Rechtsprechung bisher nicht anerkannt worden.
Hieran hält der Senat, auch im Hinblick auf die durch das Dritte Gesetz zur
Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (… )
geänderte zivilrechtliche Rechtslage, nicht fest.
Der Gesetzgeber hat den betreuungsrechtlichen Rahmen einer am
Patientenwillen orientierten Behandlungsbegrenzung durch Gesetz vom 29. Juli
2009 - so genanntes Patientenverfügungsgesetz - (…) festgelegt. Das am 1.
September 2009 in Kraft getretene Gesetz hatte vor allem auch zum Ziel, Rechts-
und Verhaltenssicherheit zu schaffen (... ). Maßstäbe
für die gesetzliche Neuordnung waren zum einen das verfassungsrechtlich
garantierte Selbstbestimmungsrecht der Person, welches das Recht zur Ablehnung
medizinischer Behandlungen und gegebenenfalls auch lebensverlängernder
Maßnahmen ohne Rücksicht auf ihre Erforderlichkeit einschließt, zum anderen der
ebenfalls von der Verfassung gebotene Schutz des menschlichen Lebens, der unter
anderem in den strafrechtlichen Normen der §§ 212, 216 StGB seinen Ausdruck
findet.
In Abwägung dieser Grundsätze hat der Gesetzgeber des Dritten
Betreuungsrechtsänderungsgesetzes nach umfassenden Beratungen und Anhörungen
unter Einbeziehung einer Vielzahl von Erkenntnissen und Meinungen
unterschiedlichster Art entschieden, dass der tatsächliche oder mutmaßliche,
etwa in konkreten Behandlungswünschen zum Ausdruck gekommene Wille eines
aktuell einwilligungsunfähigen Patienten unabhängig von Art und Stadium seiner
Erkrankung verbindlich sein und den Betreuer sowie den behandelnden Arzt binden
soll (… ). Eine betreuungsgerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit für
Entscheidungen über die Vornahme, das Unterlassen oder den Abbruch
medizinischer Maßnahmen ist auf Fälle von Meinungsdivergenzen zwischen Arzt und
Betreuer oder Bevollmächtigtem über den Willen des nicht selbst
äußerungsfähigen Patienten oder über die medizinische Indikation von Maßnahmen
beschränkt (§ 1904 Abs. 2 und 4 BGB). Die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB
enthalten zudem betreuungsrechtliche Verfahrensregeln zur Ermittlung des
wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Betreuten (... ).
Diese Neuregelung entfaltet auch für das Strafrecht Wirkung.
Allerdings bleiben die Regelungen der §§ 212, 216 StGB von den Vorschriften des
Betreuungsrechts unberührt, welche schon nach ihrem Wortlaut eine Vielzahl weit
darüber hinaus reichender Fallgestaltungen betreffen und auch nach dem Willen
des Gesetzgebers nicht etwa strafrechtsspezifische Regeln für die Abgrenzung
erlaubter Sterbehilfe von verbotener Tötung enthalten (… ). Im Übrigen ergibt
sich schon aus dem grundsätzlich schrankenlosen und die unterschiedlichsten
betreuungsrechtlichen Fallgestaltungen erfassenden Wortlaut des § 1901a BGB
selbst, dass die Frage einer strafrechtlichen Rechtfertigung von
Tötungshandlungen nicht nur als zivilrechtsakzessorisches Problem behandelt
werden kann. Wo die Grenze einer rechtfertigenden Einwilligung verläuft und der
Bereich strafbarer Tötung auf Verlangen beginnt, ist, ebenso wie die Frage nach
der Reichweite einer eine Körperverletzung rechtfertigenden Einwilligung (§ 228
StGB), eine strafrechtsspezifische Frage, über die im Lichte der
Verfassungsordnung und mit Blick auf die Regelungen anderer Rechtsbereiche,
jedoch im Grundsatz autonom nach materiell strafrechtlichen Kriterien zu
entscheiden ist (… ). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte diese Grenze
durch die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB nicht verschoben werden (… ). Die §§ 1901a ff. BGB enthalten aber auch eine
verfahrensrechtliche Absicherung für die Verwirklichung des
Selbstbestimmungsrechts von Patienten, die selbst zu einer Willensäußerung
nicht (mehr) in der Lage sind. Sie sollen gewährleisten, dass deren Wille über
den Zeitpunkt des Eintritts von Einwilligungsunfähigkeit hinaus gilt und
beachtet wird. Diese Neuregelung, die ausdrücklich mit dem Ziel der
Orientierungssicherheit für alle Beteiligten geschaffen wurde, muss unter dem
Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung (… )
bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von kausal
lebensbeendenden Handlungen berücksichtigt werden.
Das Landgericht hat eine Rechtfertigung des Angeklagten und
der Mittäterin durch Einwilligung der betroffenen Patientin abgelehnt, weil
nach seiner Auffassung die Voraussetzungen einer nach bisherigem Recht
zulässigen so genannten passiven Sterbehilfe durch Unterlassen der weiteren
künstlichen Ernährung nicht vorgelegen haben; es hat das Durchtrennen des
Schlauchs der PEG-Sonde als aktives Handeln gewertet und deshalb der
Einwilligung der Patientin eine rechtfertigende Wirkung abgesprochen.
Diese Ansicht entspricht der bisher in Rechtsprechung und Literatur
ganz überwiegend vertretenen Auffassung, wonach zwischen (unter bestimmten
Bedingungen) erlaubter "passiver" und "indirekter" sowie
stets verbotener "aktiver" Sterbehilfe zu unterscheiden sei (... ). Das bloße Einstellen künstlicher Ernährung ist danach
schon wegen seines äußeren Erscheinungsbildes, jedenfalls aber nach dem
Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens, nicht als aktives Tun,
sondern als Unterlassen und damit als "passives" Verhalten angesehen
worden (… ). Eine zulässige "passive Sterbehilfe" setzt auf der
Grundlage dieser Differenzierung nach bisher herrschender Meinung deshalb stets
ein Unterlassen im Rechtssinn (§ 13 StGB) voraus; aktives Handeln im
natürlichen Sinne soll danach stets als rechtswidriges Tötungsdelikt im Sinne
der §§ 212, 216 StGB strafbar sein (… ).
An diesem an den äußeren Erscheinungsformen von Tun und
Unterlassen orientierten Kriterium für die Abgrenzung zwischen gerechtfertigter
und rechtswidriger Herbeiführung des Todes mit Einwilligung oder mutmaßlicher
Einwilligung des betroffenen Patienten hält der Senat nicht fest.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich in der
Vergangenheit selbst auch nicht durchgängig hieran orientiert, denn ein
pflichtwidriges Unterlassen kann den Tatbestand des § 216 StGB ebenfalls
erfüllen (… ). Schon dies zeigt, dass die Kriterien
für die Abgrenzung zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten nicht allein in
der äußerlichen Handlungsqualität gefunden werden können. Zwar unterscheidet
das Gesetz zwischen dem pflichtwidrigen Unterlassen einer erfolgsabwendenden
Handlung und dem aktiv erfolgsverursachenden Tun grundsätzlich wertungsmäßig,
da es in § 13 Abs. 2 StGB für den Fall der Erfolgsverursachung durch
Unterlassen eine fakultative Strafmilderung bereit hält (… ).
Diese generelle Differenzierung lässt jedoch gleichzeitig die Möglichkeit
offen, Tun und Unterlassen wertungsmäßig gleich zu gewichten und damit auch
gleich zu behandeln, wenn der zugrunde liegende Lebenssachverhalt dies
erfordert.
Die Grenze zwischen erlaubter Sterbehilfe und einer nach den §§
212, 216 StGB strafbaren Tötung kann nicht sinnvoll nach Maßgabe einer
naturalistischen Unterscheidung von aktivem und passivem Handeln bestimmt
werden. Die Umdeutung der erlebten Wirklichkeit in eine dieser widersprechende
normative Wertung, nämlich eines tatsächlich aktiven Verhaltens, etwa beim
Abschalten eines Beatmungsgeräts, in ein "normativ verstandenes
Unterlassen" - mit dem Ziel, dieses Verhalten als "passive
Sterbehilfe" rechtlich legitimieren zu können - ist in der Vergangenheit
zu Recht auf Kritik gestoßen und als dogmatisch unzulässiger
"Kunstgriff" abgelehnt worden (… ).
Eine solche wertende Umdeutung aktiven Tuns in ein normatives
Unterlassen wird den auftretenden Problemen nicht gerecht. Ein
"Behandlungsabbruch" erschöpft sich nämlich nach seinem natürlichen
und sozialen Sinngehalt nicht in bloßer Untätigkeit; er kann und wird vielmehr
fast regelmäßig eine Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen umfassen,
deren Einordnung nach Maßgabe der in der Dogmatik und von der Rechtsprechung zu
den Unterlassungstaten des § 13 StGB entwickelten Kriterien problematisch ist
und teilweise von bloßen Zufällen abhängen kann. Es ist deshalb sinnvoll und
erforderlich, alle Handlungen, die mit einer solchen Beendigung einer
ärztlichen Behandlung im Zusammenhang stehen, in einem normativ-wertenden
Oberbegriff des Behandlungsabbruchs zusammenzufassen, der neben objektiven
Handlungselementen auch die subjektive Zielsetzung des Handelnden umfasst, eine
bereits begonnene medizinische Behandlungsmaßnahme gemäß dem Willen des
Patienten insgesamt zu beenden oder ihren Umfang entsprechend dem Willen des
Betroffenen oder seines Betreuers nach Maßgabe jeweils indizierter Pflege- und
Versorgungserfordernisse zu reduzieren (… ). Denn wenn ein Patient das
Unterlassen einer Behandlung verlangen kann, muss dies gleichermaßen auch für
die Beendigung einer nicht (mehr) gewollten Behandlung gelten, gleich, ob dies
durch Unterlassen weiterer Behandlungsmaßnahmen oder durch aktives Tun
umzusetzen ist, wie es etwa das Abschalten eines Respirators oder die
Entfernung einer Ernährungssonde darstellen. Dasselbe gilt, wenn die
Wiederaufnahme einer dem Patientenwillen nicht (mehr) entsprechenden
medizinischen Maßnahme in Rede steht (… ), die
verhindert werden soll.
Da eine Differenzierung nach aktivem und passivem Handeln
nach äußerlichen Kriterien nicht geeignet ist, sachgerecht und mit dem Anspruch
auf Einzelfallgerechtigkeit die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer eine
Rechtfertigung des Handelns durch den auf das Unterlassen oder den Abbruch der
medizinischen Behandlung gerichteten Willen des Patienten anzuerkennen ist,
müssen andere Kriterien gelten, anhand derer diese Unterscheidung vorgenommen
werden kann. Diese ergeben sich aus den Begriffen der "Sterbehilfe"
und des "Behandlungsabbruchs" selbst und aus der Abwägung der
betroffenen Rechtsgüter vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Ordnung.
Der Begriff der Sterbehilfe durch Behandlungsunterlassung,
-begrenzung oder -abbruch setzt voraus, dass die betroffene Person
lebensbedrohlich erkrankt ist und die betreffende Maßnahme medizinisch zur
Erhaltung oder Verlängerung des Lebens geeignet ist. Nur in diesem engen
Zusammenhang hat der Begriff der "Sterbehilfe" einen systematischen
und strafrechtlich legitimierenden Sinn. Vorsätzliche lebensbeendende
Handlungen, die außerhalb eines solchen Zusammenhangs mit einer medizinischen
Behandlung einer Erkrankung vorgenommen werden, sind einer Rechtfertigung durch
Einwilligung dagegen von vornherein nicht zugänglich; dies ergibt sich ohne
Weiteres aus § 216 und § 228 StGB und den diesen Vorschriften zugrunde
liegenden Wertungen unserer Rechtsordnung.
Eine durch Einwilligung gerechtfertigte Handlung der Sterbehilfe
setzt überdies voraus, dass sie objektiv und subjektiv unmittelbar auf eine
medizinische Behandlung im oben genannten Sinn bezogen ist. Erfasst werden
hiervon nur das Unterlassen einer lebenserhaltenden Behandlung oder ihr Abbruch
sowie Handlungen in der Form der so genannten "indirekten
Sterbehilfe", die unter Inkaufnahme eines möglichen vorzeitigen
Todeseintritts als Nebenfolge einer medizinisch indizierten palliativen
Maßnahme erfolgen.
Das aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitete
Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen legitimiert die Person zur Abwehr gegen
nicht gewollte Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit und in den
unbeeinflussten Fortgang ihres Lebens und Sterbens; es gewährt ihr aber kein
Recht oder gar einen Anspruch darauf, Dritte zu selbständigen Eingriffen in das
Leben ohne Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung zu veranlassen. Eine
Rechtfertigung durch Einwilligung kommt daher nur in Betracht, wenn sich das
Handeln darauf beschränkt, einen Zustand (wieder-)herzustellen, der einem
bereits begonnenen Krankheitsprozess seinen Lauf lässt, indem zwar Leiden
gelindert, die Krankheit aber nicht (mehr) behandelt wird, so dass der Patient
letztlich dem Sterben überlassen wird. Nicht erfasst sind dagegen Fälle eines
gezielten Eingriffs, der die Beendigung des Lebens vom Krankheitsprozess
abkoppelt (… ).
Eine solche Unterscheidung nach den dem Begriff des
Behandlungsabbruchs immanenten Kriterien der Behandlungsbezogenheit und der
Verwirklichung des auf die Behandlung bezogenen Willens der betroffenen Person
ist besser als die bisherige, dogmatisch fragwürdige und praktisch kaum
durchführbare Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Handeln geeignet,
dem Gewicht der betroffenen Rechtsgüter in der Abwägung Geltung zu verschaffen
und für alle Beteiligten eine klare rechtliche Orientierung zu bieten.
Die tatbestandlichen Grenzen des § 216 StGB bleiben hierdurch
unberührt. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers des Dritten
Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, wonach Handlungen, die der Ablehnung einer
medizinischen Maßnahme oder der Untersagung ihrer Fortführung durch den
betroffenen Patienten Rechnung tragen, von einer Tötung auf Verlangen i.S.d. § 216 StGB strikt zu unterscheiden sind (... ).
Für die Feststellung des behandlungsbezogenen
Patientenwillens gelten beweismäßig strenge Maßstäbe, die der hohen Bedeutung
der betroffenen Rechtsgüter Rechnung zu tragen haben (... ).
Dies hat insbesondere zu gelten, wenn es beim Fehlen einer schriftlichen
Patientenverfügung um die Feststellung eines in der Vergangenheit mündlich
geäußerten Patientenwillens geht. Die Verfahrensregeln der §§ 1901a ff. BGB,
insbesondere das zwingend erforderliche Zusammenwirken von Betreuer oder Bevollmächtigtem
und Arzt sowie gegebenenfalls die Mitwirkung des Betreuungsgerichts, sichern
die Beachtung und Einhaltung dieser Maßstäbe.
Die Anwendung der oben dargelegten Grundsätze einer
Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs ist nicht auf das Handeln der den
Patienten behandelnden Ärzte sowie der Betreuer und Bevollmächtigten
beschränkt, sondern kann auch das Handeln Dritter erfassen, soweit sie als von
dem Arzt, dem Betreuer oder dem Bevollmächtigten für die Behandlung und
Betreuung hinzugezogene Hilfspersonen tätig werden. Dies folgt schon daraus,
dass sich ein Behandlungsabbruch in der Regel nicht in einzelnen Handlungen
oder Unterlassungen erschöpft, sondern unter Umständen ein Bündel von meist
palliativmedizinischen Maßnahmen erfordert, die nicht notwendig vom
behandelnden Arzt selbst vorgenommen werden müssen.
Ob der Senat mit der dargelegten Auslegung des § 216 StGB und
der Inhaltsbestimmung des Rechtfertigungsgrunds der Einwilligung im Rahmen der
Sterbehilfe von früheren tragenden Entscheidungen anderer Senate des
Bundesgerichtshofs abweicht, kann dahinstehen, weil der Senat auf der Grundlage
der neuen gesetzlichen Regelung der §§ 1901a ff. BGB zu entscheiden hatte; eine
Anfrage gem. § 132 Abs. 3 GVG war daher nicht geboten (…) Wäre nach der
Rechtslage vor dem 1. September 2009 das Handeln des Angeklagten nicht
gerechtfertigt gewesen, so wäre die Rechtsänderung jedenfalls gemäß § 2 Abs. 3
StGB und § 354a StPO zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Der Angeklagte hat als von den Betreuern der Frau K.
hinzugezogener und sie beratender Rechtsanwalt ebenso wenig rechtswidrig
gehandelt wie die Betreuer selbst. Er war deshalb gemäß § 354 Abs. 1 StPO durch
den Senat freizusprechen.
Die allein gegen die Strafzumessung gerichtete Revision der
Staatsanwaltschaft ist nach alledem unbegründet und war deshalb zu verwerfen.
Das Urteil beim Bundesgerichtshof: 2
StR 454/09
August 2010 - http://sterberecht.homepage.t-online.de
- Letzte Aktualisierung: 27.06.2011