Index.htm > Deutschland.htm >
75GMK-Bericht.htm
Bericht der Arbeitsgruppe "Würdevolles Sterben"
(eingesetzt von der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden
unter dem Vorsitz Hamburgs)
75. Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerinnen und
Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder am 20./21.06.2002 in Düsseldorf
TOP:
7.1
Sterbebegleitung in Deutschland
Antrag: Hamburg,
Hessen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz
Würdevolles
Sterben -
Entwicklungsstand
und Perspektiven bei der interdisziplinären Ausgestaltung,
Qualifizierung und Weiterentwicklung der Sterbebegleitung in Deutschland
Bericht an die 75.Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen
Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder,
veröffentlicht vom Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des
Landes Nordrhein-Westfalen.
Deutschen
Gesellschaft für Palliativmedizin > Downloads - Deutschland
> Beschluss der 75. Gesundheitsministerkonferenz vom 20./21. Juni 2002 zum
Tagesordnungspunkt "Sterbebegleitung"
http://www.dgpalliativmedizin.de/sn/gmk_2002_Sterbebegleitung.pdf
Beschluss der 75. Gesundheitsministerkonferenz und Bericht der Arbeitsgruppe
Würdevolles Sterben
Gesundheitsministerkonferenz
> Beschlüsse > der 75. GMK (2002)
http://www.gmkonline.de/index.php?&nav=beschluesse_75
> 7.1 Sterbebegleitung in Deutschland
A.
Auftragslage >>>
B.
Entwicklungsstand und Rahmenbedingungen der Sterbebegleitung in Deutschland >>>
C.
Strafrechtliche Implikationen von Sterbebegleitung und Sterbehilfe im
internationalen Rechtsvergleich >>>
C.1.
Rechtslage in Deutschland >>>
C.2. Rechtslage in den Niederlanden >>>
D.
Qualitative Parameter bei Sterbebegleitung und schmerztherapeutischer
Versorgung >>>
D.1.
Berufsspezifische Anforderungen >>>
D.2. Patientenrechte (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht) >>>
D.3. Strukturelle und versorgungsplanerische Aspekte >>>
D.4. Berücksichtigung ethischer Aspekte >>>
D .5. Weiterentwicklung der schmerztherapeutischen Versorgung >>>
E.
Leistungsrechtliche Anforderungen bei ambulanter Sterbebegleitung und
schmerztherapeutischer Versorgung >>>
E.1.
ärztliche Vergütung >>>
E.2. pflegerische Vergütung >>>
E.3. finanzielle Förderung des ehrenamtlichen Engagements und der
Angehörigenarbeit >>>
Anhang
1: Übersicht zu palliativmedizinischen Kapazitäten in der Krankenhausplanung
der Länder (nicht
veröffentlicht)
Anhang 2: Stellungnahmen
der "wesentlich Beteiligten" (nicht veröffentlicht)
Die
74. GMK hat sich unter Hinweis auf die hohe ethische Verantwortung bei der
Ausgestaltung qualifizierter Sterbebegleitung für eine Verbesserung der
Schmerztherapie, für die Förderung der ambulanten Hospizarbeit durch die
Krankenkassen, für die Intensivierung von Weiterentwicklungen bei
Palliativmedizin und -pflege und für eine verstärkte Berücksichtigung dieser
Aspekte in der ärztlichen und pflegerischen Aus-, Weiter- und Fortbildung ausgesprochen.
Vor diesem Hintergrund hat die GMK die AOLG gebeten, eine Arbeitsgruppe
einzusetzen, die einen internationalen Vergleich der die Sterbebegleitung bzw.
Sterbehilfe betreffende Rechtslage erstellt und hierzu die Auffassungen der
wesentlich Beteiligten im Gesundheitswesen einholt. Das Ergebnis dieser Arbeit,
die unter dem Vorsitz Hamburgs in einer länderoffenen Arbeitsgruppe unter
Teilnahme von Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland erfolgte, wird nunmehr
der 75. GMK vorgelegt.
Angesichts
der von der 74.GMK in der Beschlussfassung zum Ausdruck gebrachten
Akzentuierung qualitativer Parameter eines "Würdevollen Sterbens" und
andererseits der etwa zeitgleich von der 72. Konferenz der Justizministerinnen
und -minister der Länder eingesetzten Arbeitsgruppe, die zur dortigen
Frühjahrskonferenz "unter Einbeziehung von Vorarbeiten der Länder eine
Grundlage für die von ihnen beabsichtigte weitere rechtspolitische Diskussion"
zu erarbeiten hat, begreift die AOLG-Arbeitsgruppe den ihr erteilten Auftrag
nicht als Mandat für eine umfassende rechtsvergleichende Erhebung. Gegenstand
dieses Berichts ist daher vielmehr die Bewertung der deutschen
Rahmenbedingungen ambulanter und stationärer Sterbebegleitung vor dem
Hintergrund der Entwicklungsstände anderer Länder, hier insbesondere
europäischer Nachbarstaaten.
B. Entwicklungsstand und Rahmenbedingungen der Sterbebegleitung in
Deutschland
Sterbehilfe
und Sterbebegleitung berühren soziale, ethische, rechtliche, religiöse und
kulturelle Grundüberzeugungen zivilisierter Gesellschaften und führen daher
national wie international zu höchst kontroversen Debatten, die von vielen
Menschen als Tabubruch begriffen werden und oftmals tiefe Ängste auslösen.
Dabei
ist die Hospizbewegung mittlerweile in so hohem Maße internationalisiert, dass
der in London ansässige Hospiz-Informationsdienst gegenwärtig von Hospiz- und
Palliativpflege- Initiativen in mittlerweile 93 Staaten weltweit mit einer
geschätzten Anzahl von derzeit 6.880 Hospizen, Palliativstationen, ambulanten
Palliativ- sowie spezialisierten Krankenhausdiensten ausgeht.
In
Deutschland ist weitgehend unstrittig, dass die herkömmliche Betreuung,
Versorgung und Begleitung Sterbender und ihrer Angehöriger durch die ambulanten
und stationären Regelversorgungssysteme insoweit Defizite aufweisen, als
o die
überwiegende Zahl alter, schwerstkranker und sozial isolierter Menschen in
Deutschland in Krankenhäusern und Heimen (in städtischen Regionen sind dies bis
zu 90 % aller Sterbefälle) unter vielfach wenig humanen Bedingungen stirbt, oft
allein gelassen und ohne ausreichende persönliche Begleitung in den letzten
Stunden;
o noch
zu oft eine hinreichende gezielte Schmerztherapie nicht durchgeführt wird und
damit ein schmerzfreier Sterbeprozess verhindert wird;
o viele
Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte noch zu wenig um die speziellen Bedürfnisse
Sterbender und die Möglichkeiten qualifizierter Sterbebegleitung wissen;
o Angehörige,
die den Sterbenden den Tod zu Hause ermöglichen wollen, wenig Unterstützung
erfahren und daher häufig überfordert sind;
o ambulante
Dienste und Sozialstationen in der Regel weder hinsichtlich ihrer Zeitdeputate
noch hinsichtlich der Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf
eine qualitative Mindeststandards genügende Sterbebegleitung eingestellt sind.
Diese
in der Praxis vorherrschenden Rahmenbedingungen veranlassen die Befürworter
einer Verbesserung und Humanisierung der Sterbebegleitung schon seit längerem
dazu, Strukturen zu fordern,
o bei
denen die Bedürfnisse der Sterbenden im Mittelpunkt stehen;
o die
das Sterben in der räumlich und sozialvertrauten Umgebung der eigenen Wohnung
mit Unterstützung durch ambulante Sterbebegleitung ermöglichen;
o die
stationäre Formen der Sterbebegleitung für diejenigen bereithalten, die
ambulant nicht betreut werden können;
o in
denen Pflegekräfte, Sozialfachkräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie Seelsorgerinnen
und Seelsorger interdisziplinär zusammenarbeiten;
o in
denen Schmerztherapie zum integralen Bestandteil der Betreuung wird und somit
die Bedingungen für einen möglichst schmerzfreien und bewussten Sterbeprozess
gegeben sind;
o in
denen Angehörige, Freunde, Nachbarn sowie hierzu qualifizierte ehrenamtliche
Helferinnen und Helfer einbezogen sind und ihnen dafür Hilfe und Unterstützung
gewährt wird.
In
der deutschen Öffentlichkeit überwiegt nach wie vor die Ablehnung jedweder Form
aktiver Sterbehilfe. Die Standesvertretungen im Bereich der Heil- und
Pflegeberufe halten es angesichts des rapiden medizinischen Fortschritts, durch
den der Sterbeprozess und der Todeszeitpunkt in weiten Grenzen medizinischen
Beeinflussungen unterliegen, für unabdingbar, beständig öffentlich in
Erinnerung zu rufen, dass die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens oberste
Maxime sei und daher eine Evaluierung oder gar Klassifizierung von
Lebensqualität und Lebenswert grundsätzlich abzulehnen sei. Der 104. Deutsche
Ärztetag 2001 in Ludwigshafen hat dies in einer Reihe von Beschlüssen zur
Tötung auf Verlangen, zur aktiven Sterbehilfe und zur Stärkung von
Palliativmedizin und Hospizarbeit bekräftigt und seine Haltung wie folgt
pointiert :"Bereits die Möglichkeit zur Tötung auf Verlangen erzeugt Druck
auf Kranke, sie auch fordern zu müssen. Sich töten zu lassen, wird
gesellschaftlich anerkannt und sogar gutgeheißen. Wer trotz seiner Krankheit
weiterleben will, muss dies plötzlich besonders begründen. Der Wunsch getötet
zu werden, ist ansteckend." (zitiert aus: "Entschließungen des 104.
Deutschen Ärztetages, Kapitel II, Medizin-ethische Fragen", S. 10)
Nachdem
vom Vorstand der Bundesärztekammer im April 1997 ein
"Richtlinienentwurf zur ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen
zumutbarer Behandlung" zur Diskussion freigegeben worden war und sich
hierüber eine lebhafte öffentliche Debatte entwickelt hatte, hat der Vorstand
der Bundesärztekammer am 11.09.1998 Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung
(Dt. Ärztebl. 95, Heft 39, S. 2366 f.) und sodann "Handreichungen für
Ärzte" (Dt. Ärztebl. 98, Heft 39, S. 2365 f.) beschlossen, die als
Wegweiser für ärztliches Handeln zu verstehen sind. Mittlerweile gibt es in
Deutschland zwar eine Vielzahl von Empfehlungen und grundsätzlichen Aussagen
der Berufsverbände mit handlungsleitendem Charakter. Ein in sich geschlossenes
und aufeinander abgestimmtes Konzept der medizinischen und pflegerischen
Selbstverwaltungsorgane zur ambulanten und stationären Sterbebegleitung fehlt
indes immer noch.
Die
für das Gesundheitswesen zuständigen staatlichen Fach- und Aufsichtsbehörden
wissen um diesen insoweit unbefriedigenden Status Quo der Sterbebegleitung in
Deutschland. Unter dem Aspekt einer integrierten Versorgungsplanung gibt es
aber bislang keine koordinierte Planung spezifischer Einrichtungen im Sinne
einer staatlichen Hospizplanung analog der Krankenhausbedarfsplanung.
Eine
anlässlich des GMK-Auftrages vom Berichterstatter durchgeführte aktuelle
Länderumfrage zur palliativ-medizinischen Versorgung macht jedoch immerhin
deutlich, dass in der ganz überwiegenden Zahl der 16 Länder (Ausnahmen
lediglich: Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) die
palliativ-medizinischen Kapazitäten im Krankenhausplan des betreffenden Landes
explizit ausgewiesen sind (vgl. zu den Einzelheiten: Anhang 1 dieses Berichts).
Die
konkreten Angaben zu den stationären Kapazitäten in Hospizen und
Palliativstationen differieren je nach Bezugsquelle. So geht die Deutsche
Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (zitiert nach: Ärzte-Zeitung vom
07.02.02) offenbar davon aus, dass bundesweit derzeit eine Kapazität von etwa
1400 Betten in 89 Palliativstationen und 70 stationären Hospizen verfügbar sei.
Demgegenüber legt die Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz ihrer in Anhang 2
enthaltenen Stellungnahme und beigefügter Übersicht zur Situation in den 16
Bundesländern eine Kapazität von 75 stationären Palliativeinrichtungen und 96
stationären Hospizen zugrunde. Nach Angaben der Bundesärztekammer in
ihrer in Anhang 2 enthaltenen Stellungnahme verfügte Deutschland im
Frühjahr/Sommer 2000 über 6,4 Palliativbetten und 8,5 Hospizbetten je einer
Million Einwohner.
Ungeachtet
dieser (offenbar durch Erhebungsmethoden oder definitorische Unterschiede
erklärbaren) Divergenzen können die genannten Werte für eine vergleichende
Betrachtung herangezogen werden.
Bei
etwa 82 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern erreichen diese Werte
nicht annähernd die Größenordnung der palliativmedizinischen Versorgung etwa
Großbritanniens, als dem "Mutterland" der Palliativmedizin, wo bei
einer Gesamtbevölkerungszahl von ca. 58 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern
immerhin mehr als 3200 Palliativbetten in gegenwärtig 228 unterschiedlich
gearteten Einrichtungen vorgehalten werden.
Auch
der fachpolitische Stellenwert, den das Thema Sterbebegleitung in den
europäischen Staaten genießt, ist eher uneinheitlich. Indiz hierfür ist nicht
zuletzt der Umstand, dass sich in Deutschland mit palliativmedizinischen und
-pflegerischen Fragestellungen zwar eine Vielzahl von Fachgesellschaften sowie
die Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz und eine beinahe flächendeckende Anzahl
entsprechender Landesarbeitsgemeinschaften befassen, es sich hierbei jedoch
ausschließlich um nichtstaatliche Einrichtungen (NGO’s) handelt.
Demgegenüber
haben andere europäische Länder Strukturen aufgebaut, die unter unmittelbarer
staatlicher Mitwirkung und direkter Einbindung der betreffenden Fachbehörden
agieren. So hat etwa der in Großbritannien seit Jahren etablierte und im
September 2000 reformierte Nationale Rat für Palliativpflege und Hospize
("National Council for Hospice and Specialist Palliative Care Services")
nicht nur eine landesweite Netzwerkfunktion, sondern nimmt unmittelbar Einfluss
auf die Ausgestaltung des Nationalen Krebsbekämpfungsplans, die Etablierung von
landesweiten Standards für klinische Richtlinien ("Guidelines") und
Qualitätsprofile der Hospizarbeit und Palliativstationen sowie die Erarbeitung
eines Entwurfs für das Nationale Initiativprogramm zur Palliativpflege ("Draft
National Plan and Strategic Framework for Palliative Care: 2000-2005").
Auch
in Italien hat ein unter Regierungsbeteiligung eingesetzter Nationalrat (für
Bioethik), das "Comitato Nazionale per la Bioetica" (CNB) die
Aufgabe, Richtlinien zur Sterbebegleitung mit dem politischen Ziel einer
landesweiten Entwicklung und Intensivierung palliativer Behandlungen zu
formulieren und deren flächendeckende Umsetzung zu begleiten.
In
Österreich hat das zuständige "Bundesministerium für Soziale Sicherheit
und Generationen" im "Österreichischen Krankenanstalten- und
Großgeräteplan ÖKAP/GGP 2001" für die palliativ-medizinische
Versorgung im Krankenhausbereich neben allgemeinen Definitionen auch
Planungsmethoden und Strukturqualitätskriterien benannt, die zwischenzeitlich
konkretisiert worden sind.
In
der Schweiz ist die Bewertung von qualitativen und ethisch relevanten
Fragestellungen zur Sterbebegleitung einer im Juni 2001 neugebildeten "Nationalen
Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK)" übertragen worden.
Vergleichbare
Strukturen in Deutschland fehlen. Die Bundesregierung lässt im Rahmen der
Gesundheitsberichterstattung des Bundes durch das Robert-Koch-Institut aktuelles
Material zur Sterbebegleitung in Deutschland aufbereiten und veröffentlichen.
Eine koordinierte Steuerung der vielfältigen landesweiten wie regionalen
Handlungsansätze wird hiermit aber nicht verfolgt.
Das
Inkrafttreten des niederländischen Gesetzes zur Überprüfung bei
Lebensbeendigung auf Verlangen und bei der Hilfe bei der Selbsttötung zum
01.04.2002 hat nicht nur die internationale Diskussion über medizinrechtliche
und medizinethische Fragen in Zusammenhang mit Sterbehilfe und Sterbebegleitung
neu entfacht, sondern auch in Deutschland den Fokus auf die bestehende
Versorgungslage in der ambulanten und stationären Betreuung sterbender Menschen
gelenkt.
C. Strafrechtliche Implikationen von Sterbebegleitung und
Sterbehilfe im internationalen Rechtsvergleich
Bei
der Entscheidung des niederländischen Gesetzgebers handelt es sich um eine
weitreichende flächendeckende Legalisierung der aktiven ärztlichen Sterbehilfe,
die zuvor nur regional und mitunter zeitlich befristet im australischen
Northern Territory (1995-1998) möglich war.
In
Oregon ist Beihilfe zum Suizid erlaubt, d.h. Mediziner dürfen bei
entsprechenden Kriterien Medikamente verschreiben, mittels derer sich
schwerstkranke Menschen selbst töten können. Der amerikanische Justizminister
wollte dieses Gesetz verhindern; ein Gericht in Portland hat jedoch
entschieden, dass der Bundesstaat kein Landesgesetz verändern kann
(Länderhoheit).
Seit
Mai 2002 hat auch Belgien eine gesetzliche Regelung zur aktiven ärztlichen
Sterbehilfe, die in ihren Konsequenzen über die Legalisierung in den
Niederlanden noch hinausreicht. Die Ausweitung bezieht sich auf die Zielgruppe,
die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will. Hier ist es erstmals möglich, dass
auch Menschen mit psychischen Erkrankungen (ausgenommen geistig Behinderte
und/oder Demente) sowie Patienten, für deren Erkrankung zwar keine Besserung zu
erwarten ist, die sich aber (noch) nicht in einem terminalen Stadium befinden,
um Sterbehilfe ersuchen können und dieser stattgegeben wird.
Auch
in der Schweiz sind derartige Regelungen regional in Kraft gesetzt worden, etwa
vom Gesundheitsdepartement des Kantons Zürich, wo im Oktober 2001 das bis dahin
geltende Verbot der Beihilfe zum Selbsttötung für Kranken- und Altenheime
aufgehoben wurde, sofern der sterbewillige Heimbewohner noch über die volle
Urteilsfähigkeit verfügt. Die praktische Bedeutung der Regelung wird jedoch
dadurch relativiert, dass für Zürcher Stadtspitäler das frühere Verbot weiter
fortgilt.
Während
im deutschen Strafrecht ein striktes Akzessorietätsprinzip gilt, wonach die
Beihilfe zur Selbsttötung hierzulande straflos ist, weil die betreffende
Bezugshandlung, der Suizid, nicht strafrechtlich sanktioniert wird, haben
etliche Länder neben aktiver Sterbehilfe gleichermaßen auch aktive Teilnahme am
Suizid strafrechtlich sanktioniert, ohne dass hierbei formell Ausnahmen für
Sterbehilfe-Konstellationen gemacht würden (vgl. Schweiz Art. 115 StGB; Frankreich
Art. 223-13ff. C.P.; Spanien Art. 143 1 C.P. und bis vor kurzem auch
Niederlande Art. 294 StGB).
Die
in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt sowohl höchstrichterlich als auch
obergerichtlich ergangene Rechtsprechung hat die vom Bundesgesetzgeber zugrunde
gelegte Rechtsgüterabwägung im Wesentlichen bestätigt. Demgegenüber haben
Gerichte in europäischen Ländern (etwa in Dänemark und Großbritannien) und auch
im außereuropäischen Raum (z.B. in Japan) geltende inländische
Strafrechtsbestimmungen dahingehend ausgelegt, dass unter bestimmten
Voraussetzungen die vom Arzt geleistete aktive Sterbehilfe ausdrücklich als
strafbefreiender Tatbestand gewertet wurde.
Auch
die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Rahmen eines
Vorlagebeschlusses getroffene Entscheidung, aktive Sterbehilfe selbst in engen
Grenzen nicht zuzulassen, wird in den EU-Mitgliedsstaaten die Diskussionen über
die jeweils vertretenen Rechtsauffassungen neu beleben.
Mit
ihrer Klage auf aktive Sterbehilfe war eine 43-jährige Britin am 29.04.2002 vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen worden. Die
unheilbar kranke Patientin hatte erreichen wollen, dass ihr Mann im Fall der
aktiven Sterbehilfe nicht bestraft werden würde. Das Oberste Gericht
Großbritanniens hatte zuvor entschieden, dass sich ihr Mann im Falle der
aktiven Sterbehilfe strafbar machen würde. Damit seien keine Rechte der
Patientin verletzt worden, entschied der Europäische Gerichtshof in letzter
Instanz.
C.1. Rechtslage in Deutschland
Die
strafrechtliche Situation in Deutschland ist durch das strafbewehrte Verbot der
Tötung auf Verlangen in § 216 StGB einerseits und das grundrechtlich verbürgte
Selbstbestimmungsrecht des Patienten andererseits geprägt. Danach ist jede
lebenserhaltende oder lebensverlängernde ärztliche Maßnahme unzulässig, sobald
sie nicht mehr von dem erklärten Willen des Patienten gedeckt ist. Eine
Strafbarkeit des Arztes nach § 216 StGB ist somit nicht gegeben, wenn der
Patient auf eine medizinisch-technische Intervention verzichtet und hierdurch
seiner Erkrankung ihren natürlichen, zum Tode führenden Verlauf lassen will
(vgl. BGHSt 37, 376).
Demgegenüber
können sich Ärzte, die ihren Patienten pflichtwidrig eine effektive
Schmerztherapie vorenthalten, wegen Körperverletzung strafbar machen. Hiervon
ausgehend hat der Bundesgerichtshof im Jahre 1996 entschieden, dass eine
ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation entsprechend dem erklärten oder
mutmaßlichen Willen des Patienten nicht dadurch unzulässig wird, dass sie als
unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene Nebenfolge den Todeseintritt
beschleunigen kann (BGHSt 42, 301). Im Gegensatz zu der gezielten Tötung durch
aktive ärztliche Sterbehilfe handelt es sich hier um eine rechtlich zulässige
"indirekte" Sterbehilfe.
Die
ärztliche Beeinflussung des Todeszeitpunktes bei Sterbenden betrifft auch die
Frage, unter welchen Voraussetzungen bei irreversibel bewußtlosen Patienten mit
schweren Dauerschäden, den sog. Wachkoma-Patienten, die lebenserhaltende
Behandlung eingestellt, z.B. die kalorienzuführende Sondenernährung durch eine
bloße Flüssigkeitszufuhr mit sicherer Todesfolge ersetzt werden darf, wenn der
eigentliche Sterbeprozess noch nicht begonnen hat. Die Rechtsprechung geht für
diese Fälle übereinstimmend davon aus, dass bei einem Wachkoma-Patienten, der
bei Fortführung der medizinischen Maßnahmen noch längere Zeit am Leben erhalten
werden könnte, der Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen zulässig ist, wenn
der Patient vor Verlust seiner Entscheidungsfähigkeit einen dahingehenden
Willen unmißverständlich, z.B. in einer sog. Patientenverfügung, geäußert hatte
und sein Betreuer (oder sein Bevollmächtigter) in der aktuellen Situation, in
der der Patient sich nicht mehr äußern kann, dessen Wunsch Geltung verschaffen
will (vgl. BGHSt 40, 257; OLG Frankfurt a.M., NJW 1998, 2747). Ein solch
präfinaler Behandlungsabbruch bedarf grundsätzlich der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts. Dies wird aber angesichts mancher
Rechtsprechungsdivergenzen nicht durchgängig von deutschen Gerichten als
Erfordernis gewertet und ist vom Bundesgesetzgeber, so etwa zuletzt bei der
Betreuungsrechtsnovelle im Jahre 1999 bislang nicht einer einheitlichen
Regelung zugeführt worden.
Die
deutsche Rechtslage beim präfinalen Behandlungsabbruch entspricht gleichwohl in
ihren wesentlichen Zügen denjenigen Regelungen anderer europäischer Staaten. So
wird etwa in der portugiesischen Rechtsordnung die Straffreiheit passiver
Sterbehilfe vertreten, die sowohl in der Weigerung des Arztes bestehen kann,
bei Patienten im Endstadium lebenserhaltende oder - verlängernde Maßnahmen zu
ergreifen, als auch die ärztliche Entscheidung betrifft, lebenserhaltende
Maßnahmen vor Eintritt des Hirntodes zu beenden.
C.2. Rechtslage in den Niederlanden
In
den Niederlanden ist die Lebensbeendigung auf Verlangen zwar strafbar, führte
aber seit längerem bereits nicht zur Strafverfolgung, sofern bestimmten
Sorgfaltsanforderungen entsprochen wurde. Diese Rechtslage ging zurück auf eine
Entscheidung des Obersten Niederländischen Gerichtshofes aus dem Jahre 1984, wonach
ein Arzt unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen Sterbehilfe leisten
dürfe. Daraufhin führte der Gesetzgeber ein Meldeverfahren ein, welches dem
betreffenden Arzt im Strafgesetzbuch Straffreiheit für den Fall zusichert, dass
er
o sein
Handeln dem Leichenschauer der Gemeinde gemäß den Bestimmungen des Gesetzes
über die Leichenbestattung meldet und,
o die
in einem gesonderten Gesetz, dem "Gesetz über die Überprüfung von
Lebensbeendigung auf Verlangen des Patienten und Hilfe bei Selbsttötung",
definierten Sorgfaltsanforderungen erfüllt.
Nach
den dort normierten Sorgfaltsanforderungen muss der Arzt
Eine
besondere Rolle kommt den mit Juristen, Mediziner und Ethiker besetzten
regionalen Prüfungsausschüssen zu, die zu beurteilen haben, ob im konkreten
Fall einer Lebensbeendigung auf Wunsch oder einer ärztlichen betreuten
Selbsttötung die betreffenden Sorgfaltsanforderungen beachtet worden sind.
Gelangt der Ausschuss zu der Überzeugung, dass der Arzt seine Sorgfaltspflicht
beachtet hat, so gilt der Fall als abgeschlossen, eine Befassung der
Staatsanwaltschaft ist nicht mehr vorgesehen. Nur im Falle eines negativen
Urteils besteht eine Vorlagepflicht bei der Staatsanwaltschaft.
Der
niederländische Ansatz findet in der rechtspolitischen Diskussion in
Deutschland gegenwärtig nur wenig Akzeptanz. Selbst wenn aktive Sterbehilfe
zunächst nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt wäre, so besteht hierzulande
unvermindert die Besorgnis, dass von derartigen Regelungen eine signifikante
Veränderung des Wertesystems ausgeht und eine schleichende Erosion des
Grundrechts auf Leben bewirkt werden würde.
Zugleich
wird die Befürchtung geäußert, solche Regelungen leisteten einer Entwicklung
Vorschub, durch die sich die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Kranken,
Alten, Behinderten und Sterbenden nachhaltig ändern würde.
Neben
solch grundsätzlichen Erwägungen begegnet der niederländische Ansatz auch nicht
unbeträchtlicher Detailkritik. So wird etwa die in den Niederlanden vorgesehene
Einbeziehung der nationalen Prüfungsausschüsse in das Verfahren erst nach
Vornahme der todbringenden Handlung als nicht hinreichend für das Erfordernis
einer umfassenden Transparenz der Sterbehilfeentscheidung erachtet.
D. Qualitative Parameter bei Sterbebegleitung und schmerztherapeutischer
Versorgung
D.1. Berufsspezifische Anforderungen
Die
berufliche Qualifikation aller in professionelle Sterbebegleitung einbezogenen
Akteure ist ein wesentlicher Maßstab für die Strukturqualität der erbrachten
Leistungen. Angesichts der demografischen Entwicklung und eines veränderten
Krankheitsgeschehens mit einer nachweislichen Zunahme chronifizierter und multimorbider
Verläufe wird allgemein ein deutlich gestiegener Bedarf hinsichtlich der Aus-,
Fort- und Weiterbildung in den Bereichen Palliativmedizin, Palliativpflege und
Schmerztherapie gesehen. Diese Sichtweise wird in den - in Anhang 2
wiedergegebenen - externen Stellungnahmen ausdrücklich bestätigt.
Auf
Ebene der beruflichen Qualifikationen bestehen gleichermaßen hohe Anforderungen
in der Medizin wie auch in der Pflege (z.B. Schmerztherapie, Palliativmedizin
und –pflege, Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen). Dabei liegt den
Überlegungen zur weiteren Qualifizierung der Berufsgruppen die grundsätzliche
Erwägung zugrunde, dass nur durch Förderung von Multiprofessionalität und
Interdisziplinarität und durch das wechselseitige Einbeziehen von Ausbildungsinhalten
in entsprechend angelegte themenspezifische Fort- und Weiterbildungen den
praktischen Bedarfen angemessen Rechnung getragen werden kann.
Die
berufs- und ausbildungsrechtliche Situation der Heil- und Pflegeberufe in
Deutschland ist indes davon gekennzeichnet, dass die unmittelbaren
Regelungsbereiche überwiegend in die Zuständigkeit der Selbstverwaltung fallen
und dem Staat lediglich die Gestaltung bestimmter normativer Rahmenbedingungen
der Berufsausbildung obliegt.
Ziel
der Weiterbildung ist - wie die Bundesärztekammer in ihrer
aktuellen Stellungnahme (Anhang 2) nochmals bekräftigt - der geregelte Erwerb
eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten für definierte ärztliche
Tätigkeiten nach Abschluss der Berufsausbildung.
Zwar
ist die vom Deutschen Ärztetag im Jahr 1996 eingeführte
Bereichsbezeichnung "Schmerztherapie", die gebietsübergreifend
definiert ist und somit von unterschiedlichen Fachrichtungen geführt werden
kann, mittlerweile in der Praxis etabliert. Gleichwohl hat sie in die aus- und
weiterbildungsrechtlichen Regelwerke bislang kaum Eingang gefunden, so dass sie
erst mit der im kommenden Jahr bevorstehenden Novelle der (Muster-)
Weiterbildungsordnung nochmals ausdrücklich kodifiziert werden soll.
Demgegenüber
ist die Palliativmedizin noch weiter unterrepräsentiert: eine reguläre
Weiterbildung in Palliativmedizin existiert in Deutschland nicht. Die Bundesärztekammer
(vgl. die dortige Stellungnahme, Seite 2) gibt an, dass auch
wissenschaftliche Erhebungen, die die Voraussetzung einer strukturierten
Qualitätssicherung und damit Grundlage einschlägiger Vorgaben zur Aus- und
Weiterbildung darstellen würde, in Deutschland bislang "nahezu nicht"
stattfänden. Die bisherige Nichtberücksichtigung der Palliativmedizin in der (Muster-)
Weiterbildungsordnung wird mit dem Hinweis auf entsprechend notwendige längere
zeitliche Vorläufe und die in 2003 bevorstehende Novellierung der
Weiterbildungsordnung begründet.
Ob
erst mit der Aufnahme der Palliativmedizin als eigenständiger Bereich in die
Weiterbildungsordnung eine qualitative Verbesserung der diesbezüglichen
Situation in Deutschland bewirkt werden kann oder ob dies – wie von der Deutschen
Gesellschaft für Palliativmedizin in der dortigen Stellungnahme (Anhang 2)
angeregt - nicht auch parallel schon durch Anpassung der
Musterweiterbildungsordnungen derjenigen Fachdisziplinen, die moribunde
Patienten in der Praxis betreuen, erreicht werden könnte, kann mangels
empirischer Überprüfbarkeit dahinstehen. Gleichwohl dürfte allgemein unstrittig
sein, dass – wie von der Deutschen Krebsgesellschaft in ihrer in
Anhang 2 enthaltenen Stellungnahme formuliert - die Verankerung eines
interdisziplinären Ansatzes von Palliativmedizin und -pflege in die
Weiterbildungsordnungen der verschiedenen mit onkologischen Patienten befassten
Fachgebiete den Ansprüchen der Patienten entgegen kommen würde.
Bestandsaufnahme
und Bedarfsprognosen im Bereich der Weiterbildung korrespondieren mit dem
Status Quo in der ärztlichen Ausbildung, wo der Bereich Palliativmedizin im Rahmen
der aktuellen Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung abermals nicht
berücksichtigt worden ist und dementsprechend der Stellenwert in der
universitären Ausbildung weiterhin äußerst gering bleibt. Indizielle Wirkung
hat insoweit auch der Umstand, dass gegenwärtig lediglich ein einziger
Lehrstuhl für Palliativmedizin eingerichtet ist.
Um
speziellen Erfordernissen in der ärztlichen und pflegerischen Betreuung
onkologischer Patienten besser Rechnung tragen zu können, wurde bereits 1996
der Arbeitskreis Supportive Onkologie (ASO) unter Federführung der Deutschen
Krebsgesellschaft gegründet. Der Anteil Krebskranker, die von den
Berufsgruppen der Pflegenden und der Ärzte versorgt werden müssen, steigt
kontinuierlich, ohne dass dies in Deutschland bislang eine Entsprechung in den
beruflichen Qualifizierungen fände. Während in den fachmedizinischen Feldern
Chirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin seit vielen Jahren eigene
Weiterbildungsrichtlinien etabliert sind, besteht für die Pflege in der Onkologie
keine bundesweit einheitliche Qualifizierung. Die Deutsche
Krankenhausgesellschaft (DKG) hat bereits 1999 eine
Weiterbildungsempfehlung zur Pflege in der Onkologie in Kraft gesetzt.
Lediglich in Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein
existieren eigene landesrechtliche Weiterbildungsordnungen.
Generell
besteht im Bereich der Krankenpflegeausbildung seit Mitte der neunziger Jahre
das Angebot einer Zusatzqualifikation "Palliative Care" mit
eigenem Curriculum.
Fortbildungsmöglichkeiten
in palliativmedizinischen und -pflegerischen Zusammenhängen bestehen in
Deutschland insbesondere an den spezialisierten Akademien für Palliativmedizin
in Bonn, Köln und München. Hierzu merkt der Deutsche Pflegerat in seiner
in Anhang 2 enthaltenen Stellungnahme kritisch an, dass der Lehrgang "Palliative
Care" angesichts seiner Stundenzahl von 160 Stunden nicht als
"Aufstiegs-Weiterbildung" im tarifrechtlichen Sinne anerkannt werde
und daher zu fordern sei, dass eine Gleichstellung mit den Fachweiterbildungen
Anästhesie / Intensivpflege vorgenommen werde.
Eine
weitergehende Etablierung des Themas Sterben und des Umgangs mit Sterbenden
durch Alten- und Krankenpflegepersonal wäre dann zu erwarten, wenn dies als
fester Bestandteil der theoretischen und praktischen Ausbildung im Rahmen der
anstehenden Novellierung des Krankenpflegegesetzes berücksichtigt würde.
Der
von der Vereinigung der englischen Hospize und der Beschäftigten in der
Palliativmedizin für Großbritannien entwickelte Nationale Programmentwurf
("Draft National Plan for Palliative Care") beinhaltet eine
Vielzahl von Empfehlungen für eine Vereinheitlichung von Methodik und Umfang
der Qualifizierung in den Medizin- und Pflegeberufen.
Ähnlich
wie in Deutschland verfügt Großbritannien über eine Fülle von
Fortbildungsangeboten zur Sterbebegleitung insbesondere im pflegerischen
Bereich. Gleichwohl wird von offizieller Seite moniert, dass deren Abschluss
aufgrund der unterschiedlichen Fortbildungsinstitutionen keinen gemeinsamen
akademischen Marktwert und keine Übertragbarkeit ("diplomas and degree
courses ... with little or no common academic ‚currency‘ or
‚transferability‘") aufweise.
In
den Niederlanden wird die gesamte Aus- und Weiterbildung im Bereich der
Palliativen Medizin von der niederländischen Ärztekammer, der Koninklijke
Nederlandse Maatschappij tot bevor-dering der Geneeskunst (KNMG),
koordiniert. Die KNMG unterstützt zudem auch ein Projekt zur Beratung von
Hausärzten bei aktiver Sterbehilfe durch Kollegen (Project Steun en
Consultatie bij Euthanasie in Nederland – SCEN), das in Kooperation mit den
Hausarztvereinigungen regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen durchführt. Die
KNMG ist auch zuständig für die Facharztweiterbildung. In die Liste der
Facharztbezeichnungen wurde zwar bislang Palliativmedizin nicht aufgenommen.
Unter der Facharztbezeichnung Pflegeheimmedizin (verpleeg-huisgeneeskunde)
wird jedoch Sterbebegleitung (terminale zorg) als Teil der Ausbildung
genannt. Darüber hinaus organisiert die Universität Amsterdam einen
eineinhalbjährigen Fortbildungskurs zur palliativen Versorgung (palliatieve
zorg).
In
der Schweiz sind Richtlinien durch die Schweizerische Akademie der
Medizinischen Wissenschaften (SAMW) erlassen worden, durch die bereits 1995
medizinisch-ethische Fragen bei der Betreuung sterbender und zerebral schwerst
geschädigter Patienten, sodann auch medizinischethische Grenzfragen der
Intensivmedizin (1999) sowie zuvor bereits Empfehlungen bezüglich der
"Stellung, Lebensweise und Pflege des älteren Menschen im Heim" (1988)
auf eine einheitliche Diskussionsgrundlage gestellt worden sind. Diese Vorgaben
verstehen sich jedoch eher als Beitrag zur Qualitätssicherung denn als
verbindliche normative Vorgaben zur beruflichen Qualifizierung.
D.2. Patientenrechte (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht)
Es
entspricht internationalem rechtlichen Standard, dass ärztliche Maßnahmen stets
der Einwilligung des Patienten bedürfen. Dies gilt insbesondere auch bei
ärztlichen Entscheidungen am Lebensende.
In
den von der Bundesärztekammer am 11.09.1998 (Dt. ÄrzteBl. v. 25.09.1998,
S.2367) verabschiedeten "Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung"
sind die Rechte des sterbenden Patienten, insbesondere dessen
Selbstbestimmungsrecht, ausdrücklich betont worden. Wörtlich heißt es dort
unter anderem, dass "die Unterrichtung des Sterbenden über seinen Zustand
und mögliche Maßnahmen ... wahrheitsgemäß sein" müsse, "...sich aber
an der Situation des Sterbenden orientieren und vorhandenen Ängsten Rechnung
tragen" solle. Zugleich sind hierin erstmals ausdrücklich
Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen als
"wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes" anerkannt worden.
Die
Patientenverfügung bietet dem Kranken die Möglichkeit, individuell festzulegen,
dass bei bestimmten präfinalen Krankheitszuständen keine Maßnahmen zur
Lebensverlängerung gewünscht werden. Bei Verlust der Entscheidungsfähigkeit
kann so das Selbstbestimmungsrecht des Sterbenden gewahrt werden.
Häufig
erfolgt darüber hinaus eine Verknüpfung mit einer Vorsorgevollmacht, mit der
eine oder mehrere Personen des Vertauens benannt werden, die im Bedarfsfall die
Angelegenheiten des Patienten gemäß der persönlichen Wünsche und Bedürfnisse
regeln sollen. Diese schriftlichen Fixierungen sollen die Sicherheit
– sowohl der Patienten bei Umsetzung des persönlichen Willens, als auch
der Ärzte bei Annahme rechtlicher Konsequenzen – erhöhen.
Die
Erfahrungen mit Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sind in der Praxis
sehr unterschiedlich. Zur aktuellen Bewertung dieser Instrumente wird auf die
externen Stellungnahmen in Anhang 2 verwiesen. Neben der Charakterisierung des
Meinungsstandes als durchgängig kontrovers, so etwa die Bundesarbeitsgemeinschaft
Hospiz unter Hinweis auf eine dort am 23.02.2002 durchgeführte Fachtagung,
wird in diesen Stellungnahmen u.a. auch die praktische Bedeutung und
Verbreitung von Patientenverfügungen im Behandlungsalltag stark relativiert, so
ausdrücklich die Deutsche Krebsgesellschaft.
Die
von der 72. Konferenz der Justizministerinnen und -minister eingesetzte
Arbeitsgruppe hat unter anderem zur Aufgabe, ein ländereinheitliches Muster für
eine Patientenverfügung zu entwickeln und diesbezügliche Rechtsfragen zu
vertiefen. Um den dortigen Beratungen nicht vorzugreifen, ist an dieser Stelle
von der Diskussion und Darstellung weitergehender Einzelheiten abzusehen.
D.3. Strukturelle und versorgungsplanerische Aspekte
Nach
Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Palliativbehandlung und
-pflege sämtliche ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen an Patienten, deren
Erkrankung auf kurative Ansätze nicht (mehr) anspricht. Demnach sei die
Kontrolle von Schmerzen, von anderen Symptomen sowie von psychischen, sozialen
und geistig-mentalen Problemen oberstes Gebot. Diese allgemeingültige
Definition weist bereits auf den integrierten Behandlungsansatz, der
multiprofessionelles Handeln und eine hohes Maß an interdisziplinärer
Koordinierung erfordert, hin.
In
Deutschland sind Palliativstationen Einrichtungen von Krankenhäusern gemäß
§ 39 SGB V. Sie haben die Aufgabe, für sterbende Menschen die notwendige
Krankenhausbehandlung mit dem Ziel zu erbringen, den Patienten wieder nach
Hause zu entlassen. Wo dieses nicht möglich ist, kann das stationäre Hospiz
eine Alternative sein.
Derzeit
nicht absehbar sind die Auswirkungen der neuen Finanzierungssystematik
(Fallpauschalengesetz/ DRG´s) für Krankenhausleistungen auf die
palliativ-medizinische Versorgung. Der neue § 17 b KHG hat für die
Palliativmedizin keine Ausnahme statuiert, so dass auch hier künftig eine
DRG-basierte Vergütung erfolgen wird. Zu möglichen strukturellen Veränderungen
infolge der Einführung von diagnose-bezogenen Fallpauschalen bei der
Palliativmedizin, sind in Anhang 2 vereinzelt erste Stellungnahmen enthalten.
Die konkrete Zuordnung von Fallpauschalen für die Behandlungsanlässe im
palliativmedizinischen Bereich bleibt abzuwarten.
Da
Hospize keiner gesetzlichen Bedarfsplanung unterliegen, gibt es erhebliche
regionale Versorgungsunterschiede. Der deutsche Gesetzgeber ermöglicht gemäß
§ 39 a SGB V lediglich Rahmenvereinbarungen über die Versorgung
in stationären Hospizen zwischen den Spitzenverbänden der Gesetzlichen
Krankenversicherung und den Hospizverbänden, die aber keine flächendeckende Versorgung
sicherstellen müssen.
Stationäre
Hospize haben die Aufgabe, Sterbebegleitung immer dann zu erbringen, wenn alle
ambulanten Ressourcen ausgeschöpft sind. Eine Vollfinanzierung durch die
Gesetzliche Krankenversicherung oder durch öffentliche Haushalte gibt es derzeit
nicht, so dass wesentliche Teile der Finanzierung über Leistungen der
Pflegeversicherung nach SBG XI, Eigenanteile des Hospizgastes (bei
Bedürftigkeit aus Sozialhilfemitteln) und mindestens 10 % Spendenaufkommen
des Hospizträgers zu realisieren sind.
In
der Rahmenvereinbarung zu § 39 a Satz 4 SGB V sind
stationäre Hospize definiert als eigenständige Einrichtungen mit dem
Versorgungsauftrag, für Patienten mit unheilbaren Krankheiten in der letzten
Lebensphase palliativ-medizinische Behandlung zu erbringen. Danach handelt es
sich um kleine Einrichtungen mit familiärem Charakter und in der Regel
höchstens 16 Plätzen, wobei die räumliche Gestaltung der Einrichtung auf die
besonderen Bedürfnisse schwerkranker und sterbender Menschen auszurichten ist.
Vorgegeben
ist danach außerdem eine besondere Ausstattung, die eine
palliativ-medizinische, palliativ-pflegerische, soziale sowie geistig-seelische
Versorgung gewährleistet und auf Grund ihres Versorgungsauftrages eine baulich,
organisatorisch und wirtschaftlich selbständig wahrgenommene Tätigkeit mit
separatem Personal und Konzept ermöglicht. Nach diesen Vorgaben ist
ausdrücklich ausgeschlossen, dass ein stationäres Hospiz Bestandteil einer
stationären Pflegeeinrichtung ist. Die Notwendigkeit der stationären Hospizversorgung
ist durch einen Vertragsarzt oder Krankenhausarzt zu bestätigen. Die Leistung
ist zunächst auf 4 Wochen befristet.
Versorgungsplanerisch
gibt es in Deutschland zum Bedarf keine verbindlichen Richtwerte für stationäre
Hospizbetten. Der Bedarf an stationären Hospizen ist vielmehr abhängig vom
Stand des Ausbaus der ambulanten Strukturen der Sterbebegleitung. Je
umfassender Pflegedienste die Aufgabe übernehmen, auch palliativpflegerisch
tätig zu werden, und je mehr Beteiligte aus dem nicht-professionellen Umfeld
(Angehörige, Bekannte, Ehrenamtliche eines ambulanten Hospizdienstes)
unterstützend einbezogen werden, desto geringer wird der Bedarf nach
stationären Angeboten im Hospizbereich.
Allgemein
wird davon ausgegangen, dass ein gemeinsamer Bettenbedarf für Palliativ- und
Hospizbetten bei etwa 50 stationären Betten pro 1 Million Einwohner liegt.
Differenzierte Berechnungen finden sich in den in Anhang 2 enthaltenen
Stellungnahmen u.a. der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin oder
der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz. Gleichwohl basieren diese
Bedarfsschätzungen lediglich auf Hochrechnungen, denen die Mortalitätstatistik
sowie allgemeine demografische Faktoren zugrundegelegt sind.
Auch
zur Inanspruchnahme und Auslastung der vorhandenen stationären Kapazitäten
liegen hierzulande erste Erhebungen vor. So wurden nach der ersten bundesweiten
Hospizstatistik der Deutschen Hospizstiftung aus dem Jahr 1999 durch die
ambulanten Hospizdienste jährlich 25.900 Sterbende begleitet, 4.600 Menschen
starben in stationären Hospizen. Die durchschnittliche Betreuungsdauer betrug
ambulant 59 Tage, die stationäre Verweildauer lag bei 38 Tagen.
Demgegenüber
hat der Hospiz-Informations-Dienst an England’s dienstältestem Hospiz,
dem St. Christopher’s Hospice, für die Jahre 1999 und 2000 eine
Gesamterhebung englischer Palliativ- und Hospiz-Kapazitäten durchgeführt und
hierbei eine durchschnittliche Verweildauer von 5 Monaten und eine
durchschnittliche Bettenauslastung von 75 % nachgewiesen. Die Diagnosen in den
englischen Einrichtungen lagen zu über 95 % bei Krebserkrankungen.
Schlaganfall-, Multiple Sklerose- und AIDS-Patienten wurden danach nur in
vergleichsweise geringem Umfang in diesen Einrichtungen betreut.
Während
in Deutschland für die palliativmedizinischen Kapazitäten durch die jeweilige
Landeskrankenhausplanung verbindliche Planungsvorgaben existieren und die Bundesarbeitsgemeinschaft
Hospiz mit den ihr angeschlossenen Landesarbeitsgemeinschaften Definitionen
und Qualitätskriterien ambulanter Hospizarbeit (Stand: Mai 2001) entwickelt
haben, sind in Österreich im Dezember 2001 als Anlage zum dortigen
Krankenhausplan (ÖKAP/GGP) zusätzlich sogenannte
"Strukturqualitätskriterien" u.a. für den Bereich der
Palliativmedizin beschlossen worden.
Diese
Kriterien beinhalten Vorgaben zur Personalausstattung und -qualifikation, zur
technischen und räumlichen Ausstattung, zum Leistungsangebot und schließlich
zur Größe der jeweiligen Einheiten.
Wenig
diskutiert ist bislang die Wechselwirkung zwischen der Situation ambulanter
Hospizdienste und den stationären Strukturen. Dabei sind intersektoral gerade
für die stationären Bedarfe bestimmte Aspekte bedeutsam, die in verschiedenen
ambulanten Modellprojekten zur besseren Betreuung Schwerstkranker und
Sterbender zur Geltung kommen.
Der
besondere Wert solcher für die Gesamtbetrachtung eher punktuellen Ansätze liegt
zunächst in dem durch sie erzielten Erkenntnisgewinn: so konnte innerhalb
dieser Modelle nachgewiesen werden, dass ein deutlich höherer Prozentsatz der
betreuten Patienten bis zum Tod zuhause bleiben kann als dies unter den
Bedingungen einer konventionellen Versorgung möglich ist. Sterben im
allgemeinen etwa ca. 30 % der Tumorpatienten zuhause, so konnten in
Modellprojekten wie "Home Care Berlin", "Palliativmedizinischer
Konsiliardienst für Berliner Hausärzte" oder auch den BMG-geförderten
Projekte SUPPORT in Niedersachsen und "Krebsschmerzinitiative
Mecklenburg-Vorpommern" die Patienten in bis zu 60 % aller Fälle bis
zum Tod zuhause verbleiben.
In
der Regel resultierte diese Veränderung aus einer qualitativ deutlich
verbesserten Versorgung durch Palliativmediziner und entsprechend geschultes
Pflegepersonal. Die Kosten einer solchen palliativmedizinischen und
-pflegerischen Versorgung im ambulanten Sektor lagen in der Regel deutlich
unterhalb derjenigen Kosten, die durch ansonsten notwendige
Krankenhaus-Aufenthalte am Lebensende erforderlich gewesen wären.
Zum
anderen gelingt es im Rahmen solcher Modellprojekte, duale Finanzierungsmuster
zu erproben, mit denen in verstärktem Maße auch die Träger der Gesetzlichen
Krankenversicherung in zukunftsweisende Vorhaben eingebunden werden können.
So
hat etwa in Rheinland Pfalz der Landesverband der AOK im Jahre 1998 mit
der dortigen Landearbeitsgemeinschaft Hospiz einen Vertrag über die
Förderung der ambulanten Hospizarbeit abgeschlossen. Die AOK hat sich hierin
verpflichtet, 40 % der Personalkosten für eine Hospizschwester zu
übernehmen, wenn das ambulante Hospiz über mindestens zwanzig fortgebildete
ehrenamtliche Hospizhelferinnen und – helfer verfügt und die co-finanzierte
Hospizschwester eine Fortbildung in Palliativpflege nachweisen kann. Durch
diese Form der Palliative-Care-Beratung gelingt es offenbar in zahlreichen
Fällen, eine Schmerzlinderung zu erreichen und damit den Patienten und ihren
Angehörigen den Weg zu weitergehenden Angeboten der Sterbebegleitung zu ebnen.
D.4. Berücksichtigung ethischer Aspekte
Über
Ländergrenzen hinweg gilt als allgemein anerkannt, dass ethisches Urteilen eine
zentrale Voraussetzung guten ärztlichen Handelns ist. Daher sollte nicht nur
die Einübung dieses Urteilens zu einer Grundkompetenz führen und in diesem
Sinne eine zentrale Rolle in der ärztlichen Ausbildung erhalten, auch die
interdisziplinäre Konstellation zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal
bedarf einer kontinuierlichen Unterstützung und Qualifizierung in der
Reflektion ethischer Probleme und Abwägungen. In einem Thesenpapier der "Arbeitsgruppe
Medizin und Ethik der Eidgenössischen Kommission für die Reform der Ausbildung
der akademischen Medizinalberufe" für das Schweizerische Bundesamt
für Gesundheit aus dem Jahr 2001 ist formuliert, das Spezifische der
medizinischen Ethik bestehe nicht in ihren Grundsätzen, sondern in ihren
Problemfeldern.
Die
Sterbebegleitung bildet in dieser Hinsicht ein herausragendes Problemfeld. In
Deutschland sind die Bewertung und Bearbeitung von ethischen Fragestellungen,
die in der Praxis der Sterbebegleitung, Palliativmedizin und Schmerztherapie
bedeutsam sind, weder zentral koordiniert noch auf dezentraler Ebene
institutionalisiert.
Gleichwohl
ist der Beratungs- und Unterstützungsbedarf unbestritten, da sich in der
Behandlungspraxis ethische Probleme in einer Vielzahl konkreter Sachverhalte
ergeben, etwa bei der Beratung von Angehörigen im Zusammenhang mit der
Entscheidung für oder gegen künstliche Ernährung oder künstliche Beatmung.
Auch
die angesichts des medizinischen Fortschritts zunehmend bedeutsamere Frage,
schon frühzeitig bestimmte medizinische Strategien nicht mehr zusätzlich zu
verfolgen, also die bewusste Ablehnung therapeutischer oder auch diagnostischer
Optionen ("Recht auf Nichtwissen"), weist unübersehbare ethische
Implikationen auf.
Zwar
werden ethische Fragestellungen in vielfältiger Weise in bestehenden
Qualitätszirkeln und Fortbildungsmaßnahmen besprochen und reflektiert. Eine
Institutionalisierung im Sinne eines bundesweiten Steuerungs- oder
Beratungsinstrumentes für die Praxis existiert in Deutschland bislang aber
nicht.
Auch
ein zentrales Gremium zur Beratung der Politik in übergeordneten
Fragestellungen, etwa analog dem zur Bewertung von biomedizinischen und
bioethischen Fragestellungen vom Bundeskanzler eingesetzten Nationalen
Ethik-Rat, fehlt im Bereich der Sterbebegleitung in Deutschland.
Die
nach Landesrecht eingerichteten Ethik-Kommissionen weisen eine klare
Schwerpunktsetzung in der Bewertung klinischer Arzneimittelprüfungen nach
§ 40 AMG auf, so dass deren Ausrichtung ganz überwiegend die ethische
Bewertung von Studienkonzepten und hierauf bezogenen methodischen Fragestellungen
umfasst. In Zusammenhang mit der Diskussion über eine qualifizierte
Sterbebegleitung wird eine Ergänzung des Aufgabenspektrums dieser Institutionen
daher nicht ernsthaft erwogen. Ein weiterer Aspekt, der gegen die Aggregierung
der betreffenden Aspekte in den bestehenden Ethik-Kommissionen spricht, ist der
Umstand, dass manche Fragestellungen kaum Aufschub dulden und
Unterstützungssysteme für die Behandlungspraxis dementsprechend schnell und
flexibel reagieren können müssen.
Die
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin hält dementsprechend in ihrer
in Anhang 2 enthaltenen Stellungnahme die Ethik-Kommissionen grundsätzlich für
zu schwerfällig und befürwortet stattdessen einrichtungsbezogene Strukturen.
Auch
die Deutsche Krebsgesellschaft betont den Nutzen von
einrichtungsbezogenen Strukturen, etwa in Gestalt eines Ethik-Konsils, das sich
aus Ärzten, Seelsorgern, Psychologen, Pflegepersonal und Vertretern von
Selbsthilfegruppen zusammensetzt und das dem Arzt bei seiner Entscheidung über
die weitere Behandlung wichtige Hilfestellungen geben könne.
Die
im Rahmen der Sterbebegleitung auftretenden ethischen Fragestellungen betreffen
überwiegend die individuelle Entscheidungsfindung im Klinikalltag. Daher können
Entscheidungshilfen, die sich an einer mehr oder weniger abstrakten Kasuistik
orientieren, die Qualität und Intensität einer auf den realen Einzelfall
bezogenen Abwägung nicht ersetzen. Ein solcher Praxisbezug wäre hingegen durch
die Errichtung von regionalen Ethik-Konsilen oder Ethik-Konferenzen vor Ort zu
gewährleisten.
Bei
der konkreten Ausgestaltung solcher Strukturen wäre zugleich zu bedenken, ob
nicht durch die externe Vernetzung derartiger Ethik-Konsile und
Ethik-Konferenzen sowie ihre Erweiterung durch externe Beteiligungsverfahren
(regelmäßige Expertenanhörungen) eine bedarfsgerechte Unterstützung der
Behandlungspraxis erreicht werden kann.
Hingegen
wird die Notwendigkeit übergeordneter Vorgaben oder Empfehlungen zu den in der
Sterbebegleitung bedeutsamen ethischen Abwägungen durchweg zurückhaltend
beurteilt. Die Bundesärztekammer etwa geht in ihrer in Anhang 2
enthaltenen Stellungnahme davon aus, dass gesetzliche oder untergesetzliche
Regelungen wenig dazu beitragen können, in ethischen Konfliktsituationen
Gewissensentscheidungen zu erleichtern.
Auch
in Österreich sind etwaige bundesweite Vorgaben und Strukturen zur Bewertung
von ethischen Fragestellungen der Sterbebegleitung bislang nicht etabliert. So
findet etwa die Forderung nach einer "ethischen Beurteilung" in der
1999 im Bundesgesetzblatt (BGBl 1999/ 195) veröffentlichten
"Patientencharta" zwischen der Bundesregierung und dem Land Kärnten
auch nicht für die Situation der Sterbebegleitung, sondern lediglich im Rahmen
der Forschung, nämlich bei klinischen Prüfungen von Arzneimitteln, von
Medizinprodukten sowie bei Anwendung neuer medizinischer Methoden ausdrücklich
Erwähnung. In den Niederlanden sind hingegen eine Vielzahl auch für die
Sterbebegleitung ethisch relevante Punkte in dem Erlass zur Änderung des
Zivilgesetzbuches und anderer Gesetze zur Einführung von Bestimmungen über den
medizinischen Behandlungsvertrag vom 17.11.1994 normiert. Dies gilt etwa
für Einzelheiten der Patientenaufklärung (Artikel 448) ebenso wie für das
Patientenrecht auf Nichtwissen (Artikel 449), so dass für die Behandlungspraxis
eine allgemeine, übergeordnete Orientierung existiert.
D .5. Weiterentwicklung der schmerztherapeutischen Versorgung
Seit
Jahren wird beklagt, dass in Deutschland die Verschreibung von Opioiden gegen
chronische Schmerzen trotz steigender Tendenz auch heute noch hinter dem
Standard zurückbleibt, der in europäischen Nachbarstaaten schon seit Jahren
erreicht war.
Diese
These wird durch vorliegende Statistiken über den Morphinverbrauch in
verschiedenen Ländern erhärtet, da Morphinverbrauch pro Kopf weltweit als
wichtiger Indikator für das Niveau der schmerztherapeutischen Versorgung
angesehen wird.
Bereits
im Jahr 1995 kam etwa Dänemark auf einen Verbrauch von 83 kg Morphin auf 1
Million Einwohner, während der Vergleichswert in Deutschland bis Ende der
neunziger Jahre noch unter 20 kg lag. Die aktuelle Statistik des
"International Narcotic Control Board" (INCB) bei der
UN-Suchtstoffkontrollbehörde in Wien weist den aufgrund der Verbrauchswerte des
Vorjahres von den nationalen Regierungen übermittelten Bedarfswert u.a. für
Morphin im Jahr 2002 aus. Der dort (im Internet abrufbar unter: www.incb.org) ausgewiesene Wert von 1.800 kg
Morphin für die Bundesrepublik Deutschland ist somit im Vorwege von der Bundesopiumstelle
beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet worden und
könnte daher als Indiz dafür gelten, dass es sich hierbei um den
regierungsamtlich bestätigten Verbrauch in den Vorjahren handelt.
Eine
Umrechnung der INCB-Angaben auf die Einwohnerstatistik der betreffenden Länder
ergibt bei der nachfolgenden Länderauswahl folgende Werte:
Morphin-Bedarf für 2002 |
|
Brasilien |
16,7 |
Israel |
17,9 |
Deutschland |
22,2 |
Luxemburg |
26,0 |
Polen |
31,6 |
Schweiz |
42,4 |
Kanada |
67,8 |
Italien |
70,2 |
Australien |
75,5 |
Frankreich |
86,0 |
Schweden |
90,9 |
Dänemark |
92,3 |
Portugal |
116,3 |
Japan |
137,9 |
Österreich |
152,5 |
Niederlande |
158,0 |
Spanien |
212,5 |
Südafrika |
291,2 |
Belgien |
315,0 |
Großbritannien |
353,5 |
USA |
411,2 |
Ungarn |
577,0 |
Die Zahlen belegen das vergleichsweise
niedrige Niveau des bisherigen Morphinverbrauchs in Deutschland. So erfolgt in
Deutschland nur etwas mehr als die Hälfte der relativen Morphinverschreibung in
der Schweiz, weniger als ein Drittel der Verschreibungsmenge in Italien, ein
Viertel der verordneten Morphinmenge in Frankreich, ein Siebtel der
österreichischen und niederländischen Pro-Kopf-Menge, etwa ein Zehntel des
Morphinverbrauchs in Spanien und ein noch wesentlich geringerer Bruchteil der
Verschreibungsmengen in Belgien, Großbritannien, den USA und Ungarn.
Inwieweit
der vergleichsweise geringe schmerztherapeutische Ausbildungsstand mit einem
Volumen von lediglich 40 Stunden Fortbildung in den Bereichen Schmerztherapie
und Palliativmedizin oder aber die Regulierung durch die in Deutschland
geltende Betäubungsmittelverschreibungsverordnung mit ihren Spezialvorschriften
auch zur schmerztherapeutischen Versorgung hierzu beitragen, bedarf einer
näheren Untersuchung, die empirisch erhobene Befunde mit einschließen muss.
E.
Leistungsrechtliche Anforderungen bei ambulanter Sterbebegleitung
und schmerztherapeutischer Versorgung
Hinsichtlich
der jeweiligen Vergütungsstrukturen ist zwischen ärztlichen und pflegerischen
Leistungen sowie der Gesamtkoordination ehrenamtlicher Arbeit zu unterscheiden.
Die
ambulante hausärztliche Behandlung Sterbender wird in Deutschland auf Grundlage
des bundesweit geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM)
vergütet, der jedoch lediglich eine einzige Gebührenziffer vorsieht, die die
Betreuung eines Sterbenden dezidiert aufgreift und die in diesem Zusammenhang
erbrachten Leistungen für den Arzt abrechenbar macht (EBM Ziffer 20).
Für
palliativmedizinische Leistungen im Einzelnen, die auch als solche beschrieben
werden, gibt es hingegen keine Gebührenziffern. Stattdessen können mehrere
Ziffern des Leistungskataloges auch in der Betreuung Sterbender abgerechnet
werden, sofern die entsprechende Leistung erbracht wurde.
Im
Rahmen von Sondervereinbarungen (vertragliche Zusatzregelungen) zwischen
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bzw. regionalen Kassenärztlichen
Vereinigungen und Krankenkassen wird in einigen KV-Bezirken die Honorierung von
Leistungen im Zusammenhang mit der qualifizierten Betreuung Sterbender
gesondert geregelt. Diese Sondervereinbarungen gelten jedoch immer nur
befristet, meist nur für einen einzigen KV-Bezirk und in der Regel nur für
Ärzte, die besonders qualifiziert sind. Die Geltung erstreckt sich jeweils nur
für Patienten, die bei bestimmten Krankenkassen versichert sind und in der
Regel auch nicht für alle Patientengruppen (meist nur Tumor-, AIDS- oder
Schmerzpatienten).
Sondervereinbarungen
zur ambulanten
ärztlichen Betreuung Sterbender existieren gegenwärtig für Hausbesuche bei
Tumor- und AIDS-Patienten (KV-Bezirk Brandenburg), für die Behandlung chronisch
Schmerzkranker (KV-Bezirke Hamburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Süd-
Württemberg), für das Führen einer standardisierten Dokumentation in der
onkologischen Nachsorge, onkologische Befunddokumentation und
Tumor-Nachsorge-Dokumentation( KV-Bezirke Koblenz, Niedersachsen, Pfalz,
Rheinhessen, Sachsen-Anhalt und Trier). In vielen KV-Bezirken wird für die
Behandlung von AIDS-Patienten darüber hinaus ein Zuschlag gewährt.
In
Berlin wurde zwischen 1999 und 2001 das Modell-Projekt Palliativmedizinischer
Konsiliardienst (PKD) für Hausärzte etabliert, das nach Auslaufen der Förderung
durch die Europäische Union eingestellt wurde. Zum ersten und bisher einzigen
Mal in Deutschland wurden für dieses Projekt Gebührenziffern mit rein
palliativmedizinischem Inhalt geschaffen.
Die
in den genannten Regionen gültigen Sondervereinbarungen kommen nur einem
vergleichsweise kleinen Teil der Schwerstkranken und Sterbenden zugute. Sie
sind in der Regel auch nicht für die Betreuung dieses Patientenkreises
geschaffen worden. Weder der chronisch Schmerzkranke noch der Patient im Rahmen
einer Tumornachsorge weist die Probleme und Schwierigkeiten auf, die in der
Betreuung Sterbender eine Rolle spielen (können). Allein bei den vertraglichen
Zusatzregelungen im Bereich der KVen Berlin und Brandenburg (Home Care bzw.
PKD) kann von einer Honorierung gesprochen werden, die gezielt auf die
palliativmedizinische Betreuung von Sterbenskranken abzielt.
In
der Ärztlichen Gebührenordnung für Privatversicherte (GOÄ) existiert
keine Ziffer, über die eine Betreuung Sterbender gesondert abgerechnet werden
könnte. Alle in der GOÄ gelisteten Leistungen können allerdings auch bei der
ärztlichen Behandlung Sterbender abgerechnet werden.
In
der Behandlungspraxis besteht über die unzureichende Finanzierung ärztlicher
Leistungen im Zusammenhang mit der zeitlich sehr aufwändigen Betreuung
Schwerstkranker und Sterbender weitgehend Einvernehmen. Hierbei wird
ärztlicherseits auch die im EBM enthaltene Praxisbudgetierung (je nach Fallzahl
und Fachgruppe) insbesondere bei Betreuungs- und Beratungsleistungen (z.B. bei
Hausbesuchen, EBM-Ziffer 25 f.) als besonders problematisch und hinderlich
für eine gute Sterbebegleitung angesehen. Ähnliches dürfte – wohl auch
nach Einführung des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes aufgrund der in ihren
konkreten Auswirkungen (z.B. Anerkennung von Praxisbesonderheiten) noch nicht
absehbaren neuen Ziel- und Richtgrößenvereinbarungen – für den Bereich der verordneten
Schmerzmittel gelten.
Die
geschilderten Umstände führen häufig dazu, dass nicht wenige (Haus-)Ärzte dazu
neigen, Sterbende als sehr zeitintensive Patienten eher in eine stationäre
Einrichtung einzuweisen als sich der Aufgabe einer Sterbebegleitung im
ambulanten häuslichen Bereich zu stellen.
In
Österreich kann die palliativ-medizinische Versorgung gegenüber der
gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden, sofern die landesweit
festgesetzten Strukturqualitätskriterien und die Planvorgaben (ÖKAP-Konformität)
gewahrt sind sowie die jeweilige Landeskommission die von der Einrichtung
erbrachten Leistungen grundsätzlich bewilligt.
Die
Abrechnung erfolgt zunächst für die Dauer von 12 Tagen mit einem
Pauschal-Tagessatz analog zur Akut-Nachbehandlung von neurologischen Patienten.
Danach werden degressive Tagessätze mit einem garantierten
Punkte-Mindestvolumen zur Abrechnung gebracht.
Die
Finanzierung ambulanter pflegerischer Leistungen wirft immer dort
wirtschaftliche Probleme für die Leistungsanbieter auf, wo sich ambulante
Dienste auf die Betreuung Sterbender derart spezialisiert haben, dass nicht
durch anderweitige Einkünfte eine Kompensation von Mindereinnahmen erreicht
werden kann.
In
Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der häuslichen Krankenpflege
in § 37 SGB V ist je nach Fallkonstellation strittig, ob es sich im
betreffenden Einzelfall überhaupt um Krankenhausersatzpflege (häusliche
Krankenpflege gemäß § 37 Absatz 1 Satz 1 SGB V) oder um die
sogenannte Sicherungspflege (§ 37 Absatz 2 SGB V) handelt. Dies
liegt insbesondere darin begründet, dass die Betreuung des Sterbenden ja gerade
deshalb ambulant erfolgt, weil eine Krankenhausbehandlung aus medizinischen
Gründen nicht (mehr) geboten ist und vom Wortlaut der Norm her somit der
Anspruchsgrundlage nach § 37 SGB V der Boden entzogen ist.
Da
bei ambulanten Hospizdiensten bisher keine Zuschüsse der Krankenkassen erfolgten,
wurden diese Leistungen in der Praxis weitgehend über Spenden und
Eigenleistungen erbracht. Diese Finanzierungslücke wird auch von der
Bundesregierung, etwa in der vom Robert-Koch-Institut publizierten
Gesundheitsberichterstattung des Bundes, ausdrücklich eingeräumt.
Andererseits
hat der Bundesgesetzgeber in Artikel 1 des
Pflegeleistungsergänzungsgesetzes vom 14.12.2001 gerade erst seine Bereitschaft
dokumentiert, erkanntermaßen zusätzliche Pflegebedarfe, hier konkret im Bereich
der Demenz und der psychischen Erkrankungen, durch kompensatorische zusätzliche
Bestimmungen adäquat vergüten zu lassen.
E.3. finanzielle Förderung des ehrenamtlichen
Engagements und der Angehörigenarbeit
Die
Einbeziehung von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gilt als unverzichtbarer,
gleichrangiger Bestandteil der Hospizarbeit, um Beistand und Unterstützung für
Angehörige und nahestehende Personen sowohl während der Sterbephase als auch in
der Trauerphase anzubieten. Nach Angaben der Bundesregierung (Robert-Koch-Institut,
Gesundheitsberichterstattung 01/01) sind im Jahr 2000 rund 16.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den ambulanten Diensten ehrenamtlich tätig
gewesen.
Ambulante
ehrenamtliche Hospizdienste wurden in der Vergangenheit von karitativen,
kirchlichen und freien Trägern im Rahmen der Hospizbewegung hauptsächlich in
Form von ehrenamtlichen Besuchsdiensten gegründet. Sie sorgen durch engagierte
Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit für die Verbreitung der Hospizidee,
unterstützen in Form der Besuchsdienste die Profisysteme und stehen
unkonventionell den Betroffenen zur Verfügung. Vorrangiges Ziel ist es, die
Familien und die vorhandenen professionellen Strukturen (ambulante
Pflegedienste, häusliche Betreuung, Krankenhäuser und vollstationäre
Pflegeeinrichtungen) zu unterstützen, sie ersetzen jedoch nicht die
professionelle Arbeit von Pflegediensten und speziellen Hospizpflegeteams.
Mit
Artikel 2 des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes (PflEG) vom 14.12.2001 ist
erstmals eine verbindliche, an das Vorliegen bestimmter Qualitätsanforderungen
geknüpfte Krankenkassenfinanzierung für spezialisierte ambulante Hospizdienste
gesetzlich normiert worden. Gefördert werden in einem neuen § 39
Absatz 2 SGB V ausschließlich solche Leistungen, die von entsprechend
ausgebildeten Fachkräften erbracht werden zur Gewinnung, Schulung, Koordination
oder Unterstützung ehrenamtlicher Betreuung von Personen, die keiner
Krankenhausbehandlung und keiner stationären oder teilstationären Versorgung in
einem Hospiz bedürfen. Der Hospizdienst, der nach dieser Vorschrift eine
Bezuschussung beansprucht, muss unter fachlich qualifizierter Verantwortung
stehen. Einzelheiten hierzu werden auf Bundesebene von den Spitzenverbänden der
Krankenkassen mit den für die ambulanten Hospizdienste maßgeblichen
Spitzenorganisationen vereinbart.
Eine
darüber hinausgehende Option beinhaltete insoweit der Gesetzentwurf des
Bundesrates (Bundestags-Drucksache 14/6754), der auf das Erfordernis einer
qualifizierten fachlichen Anleitung verzichtete und lediglich eine Rahmenempfehlung
auf Bundesebene, die sodann auf Länderebene konkretisiert würde, vorsah.
Dieser
Gesetzentwurf ist im Deutschen Bundestag am 19.10.2001 in erster Lesung beraten
und sodann in den Fachausschüssen weiter behandelt worden. Am 14.11.2001 hat der
federführende Ausschuss für Gesundheit eine öffentliche Anhörung von
Sachverständigen durchgeführt und seine Beratungen am 20.02.2002 abgeschlossen.
Der Deutsche Bundestag hat schließlich in zweiter Lesung am 18.04.2002 den
Gesetzentwurf des Bundesrates abgelehnt, so dass bezüglich der Förderung
ambulanter Hospizdienste auch weiterhin vom Regelungsumfang des PflEG
auszugehen ist.
Demgegenüber
ist die aktive und zielgerichtete Berücksichtigung der Situation von
Angehörigen sterbender Menschen bislang in Deutschland weder in Hinblick auf
das Erfordernis einer strukturierten Qualitätssicherung noch unter
leistungsrechtlichen Gesichtspunkten vorangebracht worden. Die durchweg
zeitaufwändige Betreuung der Angehörigen kann gegenwärtig ärztlich nicht
abgerechnet werden. Auch die Angehörigen selbst erhalten hierzulande keinerlei
sozialrechtliche Kompensation für ihre aus der Sterbebegleitung und
Angehörigenpflege resultierenden situativen Beeinträchtigungen. Beispielhaft
für den bestehenden Regelungsbedarf ist das in Frankreich seit 1999 gesetzlich
verbriefte Anrecht eines Angehörigen, im Falle der Pflege und Begleitung eines
Sterbenden einen dreimonatigen unbezahlten Urlaub zur Wahrnehmung dieser
Aufgabe zu nehmen.
Auch
die Berücksichtigung der Interessen Angehöriger zeigt im internationalen
Vergleich somit einen deutlichen Opitimierungsbedarf bei den bundesdeutschen
Verhältnissen in der Sterbebegleitung.
Schlussbemerkung:
Neben
dem in eigener Verantwortung wahrzunehmenden Untersuchungsauftrag oblag es der
Arbeitsgruppe auch, die Auffassungen der "wesentlich Beteiligten im
Gesundheitswesen" in die Betrachtung einzubeziehen.
Hierzu
wurden die aus der in Anhang 2 vorangestellten Übersicht ersichtlichen
Institutionen angeschrieben und um Stellungnahme zu vorformulierten
Fragenkomplexen gebeten. Die in Anhang 2 beigefügten Stellungnahmen sind somit
Gegenstand des Arbeitsgruppenberichts.
Oktober 2003 - http://sterberecht.homepage.t-online.de
- Letzte Aktualisierung: 01.03.08